Den richtigen Maßstab für Wörthsee finden
Wie verlief die Vorgeschichte des Supermarkt Projekts? Wir dokumentieren hier als Beispiel die Ergebnisse des Architektenwettbewerbs von 2019 für die WOGENO Siedlung am Teilsrain. Der SZ Artikel von Astrid Becker im Februar 2019 zeigt architektonische Probleme auf, die ein „maßstäblicher“ Entwurf neuer Gebäude mit sich bringt. Eine durchdachte und sensible Planung für die Geossenschaftswohnung wird Makulatur wenn nebenan ein 66 mal 22 Meter großer Vollsortimenter gebaut wird. Groß und brutal in den Waldhang geklotzt.
Die Herausforderung für Wörthsee: „maßvolle bauliche Weiterentwicklung unter Berücksichtigung des Naturraums und der Schutzgebiete“.
Dorfladen als Treff: Bianca Woisetschläger (li.) und Lena Jaeger, beide kurz vor dem Masterabschluss, haben in ihren Entwurf den Dorfladen miteinbezogen – für sie ein wichtiger Punkt im Gemeinschaftsleben. Inspirieren ließen sie sich von den Bauernhöfen, die es auf dem Land gibt. Ihre Baukörper sollen quasi an „zwei bis drei Vierseithöfe“ erinnern, die ja auch Platz in den Dörfern für mehrere Generationen boten. Für ihr Empfinden stellen sie auf diese Art den Bezug zum vorhandenen Bebauungstand dar: „Da aber den richtigen Maßstab zu finden, war die größte Herausforderung.“ Foto: SZ
„Die Integration eines großflächigen Einzelhandelsbetriebes in die Quartiersentwicklung stellt hinsichtlich der Flächeninanspruchnahme, Kubatur und der Erschließung keine ganz einfache Aufgabe dar. Insbesondere die Bereitstellung der für den Betrieb eines Vollsortimenters notwendigen Stellplatzanlagen nimmt viel Fläche in Anspruch.“
„Standardisierte Produkte wandern in die Online-Welt ab“
Wir zitieren die SZ vom 13. Februar 2019
„Genossenschaftsmodell:Chance für junge Familien“
„Studenten stellen ihre Entwürfe vor, wie das Gebiet am Teilsrain in Wörthsee bebaut werden könnte. Sie legen Wert auf offene Plätze, so dass sich die Bewohner begegnen können. Schwierig ist indes die Verkehrsanbindung.“
(….) „Fast ein Jahr lang hatten sich 20 Gruppen in unterschiedlichen Semestern mit der Frage beschäftigt, wie die Idee „Gemeinsam auf dem Land“ verwirklicht werden könnte. Zehn Modelle hatten die Studenten mitgebracht – und eines wurde dabei klar: Einfach ist dieses Projekt auf dem vorgesehenen Grundstück nicht zu verwirklichen.“
(…) „Etwas leichter fiel es den Studenten offenbar, wie Gemeinschaftssinn zu erreichen ist: Indem sie bei ihren Planungen nicht von den Baukörpern ausgingen, wie sonst üblich, sondern die Freiflächen im Fokus hatten. Einzelne Höfe und Plätze schufen sie in ihren Entwürfen, Orte also, an denen sich die Bewohner automatisch begegnen – oder auch gewollt. Ein Modell zum Beispiel sieht ein Kulturzentrum auf einem der Plätze vor, ein anderer integrierte den Dorfladen und wieder ein anderer sogar den einstigen und leer stehenden Tengelmann.
Eines ist allen gemein: Sie sehen zwei- bis dreigeschossige Baukörper in Holzbauweise vor. (…) Bei Bürgermeisterin Christl Muggenthal, dem Gemeinderat und auch der Wogeno kommt dies an: „Das deckt sich absolut mit unseren Vorstellungen.“
Soweit die SZ 2019.
Wie die schönen Entwürfe für Wohnungen am Teilsrain mit dem Vollsortimenter weggewischt werden
Wir fragen: was ist davon übrig? Was deckt sich heute mit den „Vorstellungen“ der Bürgermeisterin und des Gemeinderats. Aus Holz muss es offenbar sein. Aber: Den richtigen Maßstab finden in Form eines gelungenen baulichen Zitats der dörflichen Vergangenheit, übrigens ein Ziel der ISEK Planer? In Bezug auf Gemeindegröße und vorhandene Bebauung? Sozialraum-Funktionen entwickeln? Ein Begegnungs- und Kulturzentrum? Neue Gebäude in der angemessenen „Kubatur“ oder Baukörperform erstellen?
Begegnung reduziert auf den Einkaufswagen?
Mit solchen Funktionen wird jetzt der Vollsortimenter assoziiert. Damit ist ein Supermarkt jedoch schlicht „überfordert“. Könnte überhaupt noch nebenan ein dem Vierseithöfen nachempfundenes Zentrum mit kleinem Laden und Kulturtreff städtebaulichen Sinn stiften? Das ist für mich nicht vorstellbar. Wird der Supermarkt gebaut, sind die interessanten Enwürfe der Studentinnen Makulatur. Den richtigen Maßstab hat ein 66 mal 22 großer und fast 12 Meter hoher Baukörper im ländlichen Raum nicht.
Die „Gilchingisierung“?
Nun kann man sagen, Wörthsee wird keine ruhige, ländliche Gemeinde im S-Bahnbereich mehr bleiben. Wir wollen jetzt richtig wachsen. Von der Metropolregion München profitieren. Sozial durchmischen. Dafür brauchen wir moderne, billige Versorger. Große Baukörper mit zeitgemäßem Look. Aber ist ein 66 Meter Bau mit 50 oberirdischen PKW Parkplätzen für 1200 Kunden am Tag oder 100 bis 150 Kunden pro Stunde also ca. 40-60 gleichzeitig, die 10 bis 20 Minuten lang dort Waren kaufen, tatsächlich das, was eine identitätsstiftende, lebenswerte „Mitte“ in die Gemeinde bringt?
ISEK druckst herum – jetzt ist der Schaden da.
Die ISEK Planung Kapitel „Stärkung der Nahversorgung“ greift das Thema „Vollsortimenter“ auf und diskutiert auf S. 107f. mögliche Planungsansätze. Am liebsten hätten die Planer den ungeliebten Markt unter die Erde verlegt. Zu einer klaren Empfehlung für ein alternatives Modell kleiner Nahversorgungsgeschäfte haben sie sich nicht durchringen können – u.a. weil der Gemeinderat den zweiten Vollsortimenter trotz aller Bedenken unbedingt haben wollte. Mehr dazu unter „Ein Supermarkt als Ortsmitte?“
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