Dieser Brief erreicht uns in einigen Jahren

2026 – Wörthsee ist stolz auf sein soziales Zentrum

Liebe Anna,                                                                                                                              18.8.2026

ich wohne jetzt seit 2 Wochen im Seniorenzentrum der Kirchenstiftung in Steinebach. Recht hübsch hier, allerdings nicht ganz billig. Ich kann mich versorgen lassen, wenn ich nicht gut drauf bin. Aber ich kann auch selber kochen, wenn ich will.

Gestern ging es meinem Knie einigermaßen, ich hatte Lust auf einen schönen frischen Salat, also bin ich mit meinem Rollator rüber zum Einkaufen. Ein riesiger Edeka steht da.

Das war ein richtiges Abenteuer:

Leider musste ich erstmal über die Straße, Etterschlager Straße heißt die, da ist einiges los!

Ich dachte eigentlich, da wäre eine Druckampel, so wie bei dir vor der Seniorenresidenz. Aber ich hatte mich getäuscht. Da gab es so eine „Querungshilfe“. Erstmal musste ich bis zur Mitte, aber wie?

Es hatte 35 Grad, die Autos fuhren Stoßstange an Stoßstange, alle wollten wohl zum See. Sie dürfen da nur 30 fahren, aber so schnell konnten sie gar nicht fahren, weil zu viel Verkehr war. Doch auch, wenn sie wirklich 30 fahren, kannst du nicht einfach los gehen. Meine neue Nachbarin, die schon Jahrzehnte in Steinebach wohnte, sagte mir: „Hier mögen sie keine Ampeln und keine Zebrastreifen.“

Ja, also endlich, endlich blieb ein schickes Elektroauto stehen und ließ mich bis zur Mitte.

Da stand ich nun mit meinem Rollator und musste warten, bis mich schließlich eine nette Fahrerin passieren ließ. Jetzt war ich an einer Straße, die hat einen sehr romantischen Namen, nämlich „Zum Kuckucksheim“. Bin gespannt, ob ich da mal einen Kuckuck höre, ob da noch einer ein Heim hat? Auf der rechten Seite steht noch ein bisschen kranker Wald.

Auf der linken Seite sah ich jetzt schon die Bretterwand von dem Supermarkt. Aber so leicht ist der nicht zu erreichen. Zuerst muss man eine ziemlich schräge Rampe bis zum Eingang gehen und fest bremsen.

Dann geht´s an einem Café vorbei, wo aber selten jemand sitzt, wie meine Nachbarin sagt. Unser Café drüben – mit Seeblick – ist viel schöner. Biokuchen gibt es leider in keinem!

Gut, dann bin ich rein. Die Musik dudelt genauso grauenhaft wie in dem anderen Supermarkt, wo mich meine Tochter mal hingefahren hat.

So, dann musste ich mich erstmal zurechtfinden. Aha, die „Frischeabteilung“! Naja, besonders frisch war der Salat nicht mehr, den abgepackten wollte ich aber nicht. Vielleicht noch ein paar Eier? Kann ich gekocht in den Salat schneiden. Puh, wo sind die? Lange Gänge ging´s entlang. Warum braucht der Mensch eigentlich 50 Joghurtsorten? Dazu die unzähligen Fertigpizzen, von denen keine einzige schmeckt. Und die Plastikverpackungen haben sie immer noch nicht abgeschafft.

Du siehst, Supermärkte nerven mich. Ein netter, übersichtlicher Laden mit den nötigsten Dingen wäre doch viel gemütlicher. Meine Nachbarin hat mir mal erzählt, dass es vor Jahren hier ein paar „Verrückte“ gab, die den Supermarkt verhindern und das Waldstück auf der linken Seite erhalten wollten. Sie hat damals für den Supermarkt gestimmt, aber jetzt ist sie auch nicht so glücklich damit, weil er trotz Holz so scheußlich aussieht. Er passt nicht aufs Land, meint sie.

Ich brauchte noch ein Dressing. Bis ich das in dem Labyrinth gefunden hatte und vergeblich versucht hatte, die Zutatenliste zu lesen, war ich schon ziemlich erschöpft. Zum Glück ist es hier kühl! Vielleicht wäre es eine Idee, bei großer Hitze in dem Laden viel Zeit zu verbringen. Am See ist es eh viel zu voll. Wenn sie nur innen ein paar Stühle hätten!

Ja, du kannst dir denken, dass der Heimweg ähnlich schwer war wie der Hinweg. Außerdem musste ich den Rollator jetzt hoch schieben!

Schweißgebadet legte ich mich in die kühle Badewanne. Jetzt habe ich mich vom Einkauf erholt,  sitze hier auf dem kleinen Balkon und schreibe dir. Das war mein heutiges Abenteuer!

Sei herzlich gegrüßt

von deiner  Maria

H.S.