Ein Vollsortimenter-Supermarkt als Ortsmitte?

Ein Supermarkt als Ortsmitte?

Ein Vollsortimenter-Supermarkt als neue Ortsmitte? In einer Nebenstraße im Kuckuckswald in Wörthsee?  Das wirft Fragen auf. Wie durchdacht ist dieses Projekt?
Karte der Gemeinde Wörthsee. Quelle: Bayernatlas

Die Gemeinde Wörthsee ist sehr lang gestreckt, locker bebaut und ohne gemeinsames Zentrum der Ortsteile. Quelle: Bayernatlas

Einzugsbereich der Supermärkte

Ein Kilometer Radius um den bestehenden (blau) und den geplanten (rot) Supermarkt. Ein Drittel der Nah-Kundschaft überlappt. Quelle: Bayernatlas, Bearbeitung SB.

Vor dem Gewitter

155 Regentage zählt Wörthsee im Jahr. Regen, Schnee, Glatteis oder große Hitze sind gute Gründe, nicht zu Fuß zum Einkaufen zu gehen. Foto: D Bleek

Zum Standort Kuckucksstraße

Schafft ein, zwei, viele Zentren!

Das „Problem“ bei allen neuen Planungsansätzen in Wörthsee ist die Zusammensetzung der Gemeinde aus 5 (bzw. 7) Teilgemeinden, die eine schmale, langgestreckte Siedlung bilden, die keine Ortsmitte hat. Die Gemeinde hat sich vorgenommen, am Teilsrain nachzubessern und hier ein neues Zentrum entstehen zu lassen. Gleichzeitig plant die Gemeinde jedoch in Steinebach am Kirchenwirt ein weiteres Ortszentrum. Ist das sinnvoll? Das von der Gemeinde erbetene Gutachten „Feinstudie am Teilsrain“ bleibt skeptisch: „Eine wesentliche (offene) Frage ist auch die Gestaltung und Gewichtung eines möglichen Kernbereichs oder sogar Ortszentrums “Am Teilsrain“ und der Einfluss auf vorhandene bzw. neu entstehende Kernbereiche innerhalb des Gemeindegebiets, wie bspw. das Areal „Am Kirchenwirt“ im Altort Steinebach.“

Ein Supermarkt als Zentrumsbilder?

Um dem Areal am Teilsrain „Zentrumsqualität“ zu verleihen, setzt der Gemeinderat auf den „Nahversorger“. Dem Supermarkt wird damit eine hohe soziale Qualität zugesprochen. Jedem, der einen Supermarktbetrieb kennt, mag das fragwürdig erscheinen. Praxis ist doch: Mit dem Auto zum Parkplatz, mit dem rasselnden Wagen durch den Markt, Zahlen und wieder raus, Einkauf rein ins Auto und weg. Ein Supermarkt mit Backshop als sozialer Ort für‘s Schwätzchen, zum Innehalten, zur Begegnung? Das wirkt doch sehr realitätsfern. Ein neues Ortszentrum entsteht so nicht.

Was ist ein Nahversorger oder wird es weniger Autorverkehr geben?

Was ist ein Nahversorger? „Unter dem Begriff Nahversorgung wird allgemein die fußläufige Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen des täglichen Bedarfs verstanden. Dabei werden zehn Gehminuten oder ca. 1.000 Meter als Zielwert in der Literatur und in kommunalen Nahversorgungskonzepten angesehen.“(Studie: Bundesumweltministerium, Sicherung der Nahversorgung in ländlichen Räumen. Impulse für die Praxis) Man meint also Einkaufen zu Fuß.

Zu Fuß erreichbar?

Was ist in Wörthsee vom Argument „fußläufig erreichbar“ zu halten? Zweifellos ist der neue Standort unter diesem Aspekt auf den ersten Blick etwas besser, als der bestehende Marktstandort Günl Waldbrunn. Wegen des sehr zerfaserten Dorfs aus 7 Ortsteilen sind jedoch an jedem denkbaren Standort jeweils nur relativ wenige Bürger im Einzugsbereich von einem Kilometer vorhanden, viel zu wenige, als zur Rechtfertigung eines weiteren Marktes in nur einem Kilometer Abstand voneinander plausibel wären. Hinzu kommen weitere negative Fakten. In der Stude „Nahversorgung in Bayern“ des Bayerischen Wirtschaftsministeriums heißt es zum Beispiel klipp und klar: „Das Kriterium „Distanz“ stellt lediglich eine erste Orientierung zur Bewertung der Nahversorgungssituation dar. (…) Ob Kunden mögliche Fußwege im Rahmen ihres Einkaufs zurücklegen ist von vielen Faktoren abhängig (…) Topographie, leichte Anstiege stellen i.d.R. bereits ein K.O. Kriterium dar“.

Gelände ist K.O. Kriterium

Für Wörthsee stellt sich die Situation am Teilsrain leider genau so dar: die Topographie im 1-Km-Radius ist bergig, also extrem ungünstig (=K.O. Kriterium). Der Höhenunterschied zwischen geplantem Standort und See beträgt 34 Meter. Fußwege oder Radwege fehlen. Der Gutachter der Feinstudie „Am Teilsrain“ schreibt auf S. 29: „Der erhöhte Flächenverbrauch und das zu erwartende Verkehrsaufkommen innerhalb des Gebiets durch einen Nahversorger mit ca. 1200m2 Verkaufsfläche stehen einer ruhigen Wohnnutzung gegenüber.“

55 Parkplätze – 1000 Autos am Tag?

55 Parkplätze sind am neuen Supermarkt geplant. Die Bürger werden weiter das Auto zum Einkaufen benutzen und das CIMA Gutachten schreibt dazu: „Durch die Lage in unmittelbarer Nähe zur Hauptverkehrsachse Etterschlager Straße stellt sich die Erreichbarkeit des Projektstandorts für Pkw-Kunden als gut dar, wenngleich sich die direkte Anfahrbarkeit des Edeka Günl an der Hauptverkehrsachse besser darstellt. „CIMA Gutachten“ S.21.
Unterstellt wird hier für beide Märkte selbstverständlich, dass das Gros der Kunden das Auto nutzen wird. Die Idee eines großen Anteils an Fußgängerkunden am Teilsrain ist nicht plausibel.

Wußte das Niemand?

Die Gemeinde hat tatsächlich lange und intensiv planen lassen. In der „Feinstudie am Teilsrain“ von 2018 stellt der Gutachter an verschiedenen Stellen die Nachteile des Konzepts fest. Auf Seite 38 listet er die Nachteile des Standorts so auf:

  • Problem Naturschutz bleibt trotz Abrücken vom Waldrand
  • Wald als nicht integrierte Restfläche
  • Zufahrt topografisch schwierig
  • separate Erschließung Wohnbebauung schwierig
  • rückwärtige Lage – intensive Werbung an der Etterschlager Straße notwendig (Pylon)
  • hoher Flächenverbrauch bei oberirdischer Parkierung
  • Verkehr im ruhigen Wohnbereich
  • weniger Fläche für Wohnbebauung
  • höhere Bebauung notwendig, Staffelung zum Bestand oder zur Natur schwierig
  • barrierefreie Verbindung Seniorenzentrum (an der Kirche geplant) / Nahversorger schwierig“

Auf Seite 43 stellt er fest:

„Die bestehende Konkurrenz vor Ort (EDEKA) bedingt für Investoren/Betreiber gewisse Grundvoraussetzungen für den Betrieb eines zweiten Supermarktes:

  • bequeme Erreichbarkeit und Nutzbarkeit (d.h. ebenerdige Parkierung) (PKW-Erreichbarkeit)
  • differenziertes Sortiment (d.h. große Verkaufsfläche) (…)

Eine kompakte, dem Standort und der Topografie angemessene Lösung mit einer Parkierung unter oder über der Verkaufsfläche wird von den bisherigen Investoren/Betreibern abgelehnt.“

Als weiterer Standortnachteil wird dann festgestellt:

„Die rückwärtige Lage an der Kuckuckstraße mit schwieriger Zufahrt (Hang) kann den dauerhaften Betrieb des Supermarkts gefährden. Diese Lage ist nur mit einer intensiven Bewerbung (beleuchteter Pylon an der Etterschlager Str.) möglich.“

Der Gutachter windet sich sichtlich, ein von ihm negativ gesehenes Konzept doch plausibel erscheinen zu lassen. Sein Fazit: Ein alternatives, seniorengerechtes Nahversorgungskonzept mit erweitertem Dorfladenangebot, ergänzt und unterstützt durch zusätzliche aktiv genutzte Angebote, könnte eine mögliche, wenn auch mit Risiken (Fortbestand) behaftete Alternative sein. Dies würde aber nicht den aktuellen Wünschen der Gemeinde nach einer umfassenden Nahversorgung entsprechen.“

Das heißt, die Gemeinde hat von vorneherein den „aktuellen Wunsch“ gehabt, hier einen Vollsortimenter-Supermarkt zu errichten. Bei den Planungs- und Begutachtungsprozessen wurde mit erheblichen Manipulation der Zahlen zur Wirtschaftlichkeit und zur Verkehrsbelastung gearbeitet, um die riesigen Nachteile des Projekts kleinzureden. Eine neue Ortsmitte wird ein Vollsortimenter-Supermarkt nicht schaffen.

Ein Vollsortimenter-Supermarkt als Ortsmitte?2021-03-28T15:05:00+02:00

Selber schleppen? Ich bin doch nicht blöd!

Selber schleppen – ich bin doch nicht blöd!

Welche Rolle spielt eigentlich der Online Lebensmittelhandel und wie wird er sich in den nächsten Jahren auf die Supermärkte auswirken? Strategiepapiere der Edeka und des Einzelhandelsverbandes sehen große Veränderungen als wahrscheinlich an. Selber schleppen – ich bin doch nicht blöd! Einen 2. Vollsortimenter braucht es nicht.

Nicht erfolgreich. Der Dorfladen in Wörthsee. Foto: Ziegler

So sieht Amazon unsere glückliche Zukunft. Foto: Amazon Fresh Presse

Brucker Netz

Das Brucker Netz. Neuer regionaler Online-Lieferdienst für Regio- und Bio-Produkte. Quelle: Webseite

DHL bringt Einkauf Co2 frei

DHL bringt den Online-Kauf Co2 frei Foto: S. Bleek

Laden-Saeed-Mosafer-Haghighi-steinebach

Laden von Saeed Haghighi in Steinebach – Klein und erfolgreich. Foto: S. Bleek

In einem Strategiepapier der Edeka für die 2020er Jahre wird auf die Zunahme der Online Lieferdienste auch im Lebensmittelhandel verwiesen. Tatsächlich geben auch in einer neuen Studie des Einzelhandels bereits 30% der Kunden an, dass sie immer häufiger Nahrungsmittel im Internet bestellen. Das betrifft nicht so sehr die Frischware, aber die haltbare Lagerware. In Großstädten wie München allerdings hat sich der Lieferdienst auch für Frischware bereits etabliert. Die Edeka sagt den Vollsortimentern harte Zeiten voraus und möchte mit „Erlebniswelten“ kontern. Daran mag man glauben.

Werden Online-Lieferung und Frischware-Abholung die Zukunft?

Niemand kann die Zukunft voraussehen, aber ein Szenario, in dem sich eine Kombination aus Online-Bestellung mit Lieferdienst für Dauerware und kleinen „Points of Sale“ für Frischware durchsetzt, liegt durchaus im Rahmen der wahrscheinlichen Alternativen. Zwar hat der Online-Handel im Bereich der schnelllebigen Verbrauchsgüter – oder amerikanisch „FMCG“ – noch nicht die Marktanteile anderer Bereiche, aber laut Analytikern ist er rasant im Kommen: „Die Möglichkeit der Bestellung von Lebensmitteln im Netz wird jährlich (bereits) von rund 3,65 Millionen Menschen in Deutschland genutzt.“ (Sandra Ahrens, Statista, 29.10. 2020)

Die im Durchschnitt älter werdende Bevölkerung wird sich schwere Ware wie Drogerieartikel, Getränke, Konservenvorräte und alle trockenen und haltbaren Lebensmittel in die Wohnung liefern lassen. Das ist bequem und praktisch. Online-Bestelldienste können anhand der Einkaufshistorie automatisiert fehlende Waren erkennen und zum Nachkauf vorschlagen. Dieses Segment des Online-Handels wächst derzeit mit über 15% im Jahr. Die Supermärkte verlieren also immer mehr Kunden. „Gefragt sind vor allem haltbare Lebensmittel, denn das Vertrauen in die Produktqualität kann der Online-Versand aus der Sicht der Konsumenten bei frischen Lebensmitteln (noch) nicht gewährleisten. Frische und Preis sind jedoch die wichtigsten Kriterien beim Kauf von Lebensmitteln.“ (Sandra Ahrens, Statista, 3.11.2020)

Online ist eine wahrscheinliche Zukunft und nicht ein weiterer Riesenmarkt, gefüllt weitgehend mit haltbarer Allerweltsware, die bequem online bestellt und nach Hause geliefert werden kann. Ganz neu für Wörthsee ist das „Brucker Netz“, ein Onlineshop mit Lieferdienst für regionale und BIO-Lebens- & Genussmittel, die im Landkreis Fürstenfeldbruck und Umgebung hergestellt werden. Selber schleppen? Ich bin doch nicht blöd!

Klein hat also doch Zukunft?

Für Wörthsee möchte niemand eine Prognose erstellen, die das eindeutig bejaht. Der Wochenmarkt ist mangels Interesse wieder eingeschlafen, der Dorfladen wurde nicht ausreichend angenommen – was allerdings sehr spezielle Gründe haben mag. Alle kleine Läden sind weg? Nein, es gibt einen bescheidenen und erfolgreichen Kaufmann in Steinebach. Saeed Mosafer Haghighi führt seinen Obst-, Gemüse- und Feinkostladen seit 24 Jahren. Er liefert an Kunden, die es wünschen, nicht erst seit der Corona Krise frei Haus. 2016 schreibt der Münchner Merkur dazu: „Er hätte es viel besser gefunden, wenn die Gemeinde die kleinen Betriebe, „die sie ja auch immer unterstützen wollte“, in einer Art Einkaufscenter zusammengefasst hätte. „Aber das ging angeblich nicht.“

Die ISEK Planung hat Online übersehen

Die Städteplaner von ISEK haben das Thema der Kombination von Online-Lieferung und Kleinladen in ihren Betrachtungen bislang überhaupt nicht gesehen – meines Erachtens ein Versäumnis.

Große Lebensmittelketten wie Tegut beginnen bereits die Kooperation mit Lieferdiensten wie Amazon Fresh. REWE und Edeka bieten vielerorts bereits eigene Lieferdienste an. Was sich auf gar keinen Fall mehr ökonomisch sinnvoll darstellen lässt, sagen die Edeka-Strategen ebenfalls: zwei große Anbieter von über 1000 m2 Verkaufsfläche mit jeweils zu kleinem Einzugsbereich. Ein zweiter Vollsortimenter in Wörthsee müsste in erheblichem Maße Kunden aus der weiteren Umgebung anziehen. Dort werden allerdings ebenfalls Erweiterungen der bestehenden Märkte (Edeka Seefeld) gebaut oder sind neue Sortimenter in Planung, wie in Hechendorf.

Ein Wettlauf „Wer hat den größten Markt im Ort?“ ist ein Fehler.
Zwei Vollsortimenter nah beieinander sind unsinnig.

Hier mehr zum Thema:

Selber schleppen? Ich bin doch nicht blöd!2021-03-02T20:04:53+01:00

Fakten statt Emotionen – braucht es einen zweiten Supermarkt?

Fakten statt Emotionen

Braucht Wörthsee wirklich ein derart großen zweiten Supermarkt? Wieviel Lebensmittel-Verkaufsfläche pro Einwohner hat Wörthsee im Vergleich zu seinen Nachbargemeinden? Die Gemeinde mahnt, Fakten statt Emotionen zu berichten. Hier sind einige weitere Fakten.
Gemeinde Pro-Kopf Einkaufsfläche (in m2)
Wörthsee 0,23
Inning 0,21
Seefeld 0,18
Weßling 0,30
Edeka Waldbrunn

Reichlich Verkaufsfläche in Wörthsee: 1000 m2 Edeka Markt Waldbrunn. Foto: S.Bleek

Wörthsee braucht keinen zweiten, großen Supermarkt!

Das wird klar wenn man sich die Zahlen anschaut. Die Zahlen liefert das sogenannte CIMA-Gutachten welches im Rahmen des Bebauungsplans von der Gemeinde in Auftrag gegeben wurde. Wörthsee verfügt derzeit über insgesamt 1150 m2 Einkaufsfläche für Lebensmittel. Teilt man diese Zahl durch 5000 – die Einwohnerzahl von Wörthsee – dann erhält man 0,23 m2 Einkaufsfläche pro Einwohner. Damit hat man eine Kennzahl für den Lebensmitteleinkauf. Je größer die Zahl, desto mehr Fläche steht pro Kopf zur Verfügung. Gegenüber Inning (0,21) und Seefeld (0,18) steht Wörthsee besser da. Vorne liegt aber Weßling mit 0,3 m2 pro Einwohner. Man müßte also eigentlich garnichts tun!

Ein Erhöhung der Verkaufsfläche um 350 m2 wäre völlig ausreichend

Möchte man die Situation in Wörthsee aber weiter verbessern, das bedeutet die Kennzahl erhöhen, und zum Beispiel mit Weßling gleichziehen, dann müsste man die Verkaufsfläche nur um 350 m2 vergrößern und nicht um 1055 m2 wie beim Kuckucksmarkt geplant. Dieser neue Supermarkt ist überdimensioniert! Wörthsee hat kein Gewerbegebiet wie Weßling mit 30 Firmen und 1500 Mitarbeitern. Und für die 150 zusätzlichen neuen Wohnungen (Teilsrain usw.) benötigt man keinen zweiten Supermarkt dieser Größe.

7.2.2021, Autor: Günther Lechner

Siehe auch: Ein Vollsortimenter-Supermarkt als Ortsmitte?

Fakten statt Emotionen – braucht es einen zweiten Supermarkt?2021-03-28T15:06:27+02:00

Fragwürdige Wirtschaftlichkeit des 2. Supermarkts

Fragwürdige Wirtschaftlichkeit

In nur 1200 Meter Entfernung vom bestehenden großen Edeka Vollsortimenter soll ein weiterer Supermarkt gebaut werden. Das wirft Fragen auf. Wie steht es um die Wirtschaftlichkeit des Projekts?

Karte der Gemeinde Wörthsee. Quelle: Bayernatlas

Eine langgestreckte und zerfaserte Gemeinde: Wörthsee. Quelle: Bayernatlas

Edeka Waldbrunn

Die Edeka im Ortsteil Waldbrunn. Foto: S. Bleek

Edeka Standortanforderung

Edeka Standortanforderung für Verkaufsfläche: 5000 Ew. im Kerngebiet für 1000 m2 Verkaufsfläche. Quelle: Edeka Strategiepapier.

Supermarkt Kuckuckswald – Wirtschaftlichkeit schöngerechnet?
Einzelne Gemeinderäte sind „empört“, dass Bürger es wagen, ihre Supermarktplanung in Frage zu stellen. Bei der Durchsicht der Gutachten und Stellungnahmen zu diesem Projekt ergeben sich allerdings Zweifel, ob das Konzept überhaupt wirtschaftlich tragfähig ist.

Die kaufkräftigen 5000

Wörthsee hat etwas über 5000 Einwohner – verteilt auf 5 Ortsteile. Laut bayernweiter Studie „Nahversorgung in Bayern“ (Staatsministerium Wirtschaft, 2011) benötigt ein (1!) einzelner Supermarkt in der geplanten Größenordnung um 1.200 m2 zur Rentabilität einen Einzugsbereich von mindestens 5000 Einwohnern. Die Gutachter versuchen dennoch die Rentabilität und den wirtschaftlichen Gewinn des Vorhabens gegenüber den Nachteilen wie Flächenverbrauch, Verkehr etc. zu behaupten. Im CIMA Gutachten wird unterstellt, der bestehende Edeka Markt würde mit derzeit 7-8 Mio. Umsatz pro Jahr nahezu das Doppelte des Umsatzes eines durchschnittlichen Edeka Supermarktes erwirtschaften. Unterstellt wird dann, der neue Markt würde einen Umsatzrückgang für die vorhandene Edeka von 25% oder etwa € 1,9 Mio. bedeuten. Die zum Erreichen der Rentabilitätsschwelle des neuen Marktes nötigen weiteren € 2,3 Mio. werden mit der kühnen Annahme einer Steigerung der Lebensmittelkäufe in Wörthsee um 30% auf € 9,5 Mio. ermittelt. Damit würden sich beide Einrichtungen gerade so eben rechnen.

Das Marktwunder vom Wörthsee?

Ist eine solche große Wachstumserwartung realistisch? Die Gutachter summieren hierfür Umsätze auf, die bislang im weiteren Umland getätigt werden. Einkaufsfahrten in größere Zentren haben im Alltag verschiedene Motive. So die Bündelung des Kaufs von z.B. Drogerieartikeln und Lebensmitteln. Oder die Zusammenlegung von Einkäufen mit z.B. Arzt- oder Dienstleisterbesuchen (laut Studie „Nahversorgung“ sind das 43% der Kunden). Oder der Einkauf bei Spezialanbietern für Frischfisch oder Metzgerei, für Feinkost oder asiatische bzw. italienische Waren, für Weine und Getränke und so weiter. Berufspendler kaufen häufig am Arbeitsort ein. Laut Studie „Nahversorgung“ tun dies im ländlichen Raum im Durchschnitt 52% der Pendler. Den rasant zunehmenden Online-Lieferservice lassen die Gutachter ebenfalls völlig außer Acht.

Ort der lockeren Geldbeutel?

Argumentiert wird im Gutachten auch mit der überdurchschnittlich hohen Kaufkraft in Wörthsee. Daher seien höhere Ausgaben pro Kopf für Lebensmittel anzunehmen. Das ist fraglich, da die Wörthseer wie alle Bundesbürger besonders bei Lebensmitteln durchaus preissensibel sind. Kaum jemand ist bereit, für Standardartikel des Grundbedarfs höhere Preise als bei der Konkurrenz zu zahlen. Die Fahrt zum Discounter bleibt trotz nahem Supermarkt angesagt. So gesehen ist das Projekt ganz besonders deshalb nicht sinnvoll, weil es zum bestehenden nur einen Kilometer entfernten Edeka Supermarkt nur einen weiteren mit vollkommen identischer Konzeption addiert.

Die Neubürger als Kundenbasis?

Die im Umfeld des Projekts neu entstehenden 120 Wohnungen bedeuten bei 2,25 Bewohnern pro Wohnung (das ist der Durchschnitt in Bayern) gerade einmal 270 Kunden, oder 0,54% der üblichen Einzugsbereichsgröße von 5000 Kunden. Das oft zu hörende Argument des Bevölkerungswachstums ist also irrelevant, es sei denn, der Gemeinderat plant eine rasante Vergrößerung des Orts.

Wer wird eigentlich Betreiber?

Bis heute ist es dem Vernehmen nach unklar, ob eine Supermarktkette bereits eine verbindliche Zusage für den Betrieb des neuen Markts abgegeben hat. Der Investor spricht lediglich von „Interessenten“. Also wittert hier anscheinend keiner das große Neugeschäft und die Annahmen der Gutachter scheinen weniger die Realität zu beschreiben als vom Gemeinderat erwartetes Wunschdenken zu bedienen.

Sind andere Anbieter denkbar?

Einen Discounter als Betreiber will niemand und den schließt der Gemeinderat explizit aus. Wäre jedoch etwa ein Bio-Supermarkt denkbar? Ein Betreiber aus der hochwertigen Ökoszene (DennS o.ä.) wurde von dem Investor bisher dem Vernehmen nach ebenfalls nicht gefunden. Das Umsatzversprechen des Gutachters wird offenbar auch bei den Betreibern solcher Märkte nicht geglaubt.

Wird es sogar schlechter als besser?

Kann der neue Markt die örtliche Versorgung sogar verschlechtern? Ein Umsatzrückgang pro Einheit durch möglicherweise „zuviel“ an Verkaufsfläche mit identischen Artikeln könnte im Gegenteil zu manchen Erwartungen dazu führen, dass z.B. Frischwarenangebot in den beiden Märkten mangels Umschlagstempo schlechter wird und daher eventuell Märkte in größeren und weiter entfernten Standorten noch attraktiver werden.

Droht eine Bauruine?

Wird der Neubau am Ende leerstehen? Das CIMA Gutachten traut seinen eigenen Annahmen nicht so ganz über den Weg und schließt: „Einschränkend ist hingegen die Wettbewerbssituation des Planvorhabens zu bewerten. Mit Edeka Günl befindet sich ein direkter Wettbewerber mit vergleichbarer Verkaufsfläche seit mehreren Jahren als eingeführter Versorgungsstandort nur ca. 1 km nördlich des Planvorhabens. Dieser Anbieter in sehr verkehrsgünstiger Lage wirkt sich begrenzend auf den zu erwartenden Umsatz aus.“

Unsere Alternativen

Wie aber sähen mögliche Alternativen aus? Hier mehr dazu:

Dr. Stephan Bleek
Veröffentlicht als Leserbrief (Kurzfassung) in der SZ 30.01.2021 Starnberg

Fragwürdige Wirtschaftlichkeit des 2. Supermarkts2021-03-02T20:05:40+01:00
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