Tempo 130 für den Klimaschutz
„Im Jahr 2018 verursachten Pkw und leichte Nutzfahrzeuge auf Bundesautobahnen in Deutschland Treibhausgasemissionen in Höhe von rund 39,1 Millionen Tonnen Kohlendioxid-Äquivalente (CO2-Äquivalente). Durch die Einführung eines generellen Tempolimits von 120 km/h auf Bundesautobahnen würden die Emissionen um jährlich 2,6 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente reduziert. Selbst ein Tempolimit von 130 km/h würde die Treibhausgasemissionen bereits um 1,9 Millionen Tonnen, ein Tempolimit von 100 km/h sogar um 5,4 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente pro Jahr mindern.“
Es gibt keinen vernünftigen Grund, in Deutschland nicht wie überall sonst auf der Welt ein Tempolimit einzuführen. Laut einer aktuellen Studie des Umweltbundesamts spart diese Maßnahme im Jahr fast 2 Millionen Tonnen Co2 Äquivalente ein – und den Autofahrern eine Menge Geld an Spritkosten.
Die Deutschen. Beim Tempo durchaus keine Europäer oder Weltbürger.
Zwei Millionen Tonnen Co2 Einsparung pro Jahr ist nicht viel, angesichts von 500 Millionen Tonnen, die Deutschland jährlich insgesamt emitiert. Der Autobahnverkehr kommt auf 39 Millionen Tonnen. Da wären 2 Millionen Tonnen Einsparung schon nennenswerte 5%. Und, diese Einsparung ist sofort und umsonst zu haben. Der Autofahrer profitiert sogar durch geringeren Spritverbrauch. Der zeitliche Vorteil hoher Geschwindigkeiten, also Bleifuß-Fahrweise, ist laut Testfahrten von Auto, Motor, Sport verschwindend gering. Der sehr unruhige Verkehrsfluss auf deutschen Autobahnen vergrößert die Anzahl von Staus und verschlingt jeden vermeintlichen Zeitgewinn. Schwere Unfälle durch Raserei passieren immer wieder. Die Elektromobilität macht hohes Tempo vollkommen obsolet, die häufigen Nachladestopps führen dazu, dass der Raser sogar langsamer vorankommt als Elektra-Normalfahrerin.
Nun meint die deutsche Autoindustrie dennoch, dem Elektrofahrer den Reiz verrückt hoher Motorleistungen anbieten zu müssen. Der Porsche Taycan kommt mit 500 kW auf die Straße und beschleunigt in 2,8 Sekunden auf 100 Km/h. Diese Beschleunigung wirke wie ein schmerzhafter Schlag in den Nacken, stellt der ADAC fest – und gehöre im öffentlichen Straßennetz nicht einmal „im Ansatz ausprobiert“. Auch BMW bietet den neuen I4 mit bis zu 400 kW Leistung an. Das Spiel der Autobauer mit den Rennfahrerträumen soll also auch elektrifiziert weitergehen. Klimaneutralität im Autobahnverkehr damit wiederum Fehlanzeige.
Der Bundestag hat erst 2019 mit den Stimmen von Union, SPD, AfD und FDP ein Tempolimit abgelehnt. Lediglich die Grünen und die Linkspartei stimmten dafür. Inzwischen kamen Fridays for Future, das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, die Unwetterkatastrophe. Es ist anzunehmen, dass die Politik weiterhin diese einfache Maßnahme ignorieren wird. Doch das Urteil der Verfassungsrichter verbietet den Gebrauch der Freiheit auf Kosten künftiger Generationen. Daraus folgen eine Abrüstung der Fahrzeuge und ein generelles Tempolimit durchaus zwingend.
SB
„Rein rechnerisch könnten mit den Ausgaben, die für die Vermeidung einer Tonne CO2 durch die Umstellung auf Elektroautos eingesetzt werden, 16 bis 20 Tonnen CO2 an anderer Stelle innerhalb des EU ETS (EU Emissionshandel) vermieden werden.“
P.S.: Für den Anfang tut es auch – freiwillig.
Nachtrag:
Das Forschungsinstitut der Deutschen Bank, DB Reserach, hat unlängst das sehr lesenswerte Papier „Vorfahrt der E-Mobilität vom Staat teuer erkauft“ veröffentlicht, in dem die Kosten der Förderung der E-Mobilität untersucht werden. Die Politik hat sich demnach zu einer wahren Förderorgie hinreißen lassen: „Zu den direkten Kaufprämien, die der Staat für Elektroautos gewährt, kommen weitere fiskalische Effekte während der Nutzung hinzu. (…) Über die gesamte Nutzungsdauer kommen fiskalische Effekte von mehr als EUR 20.000 zusammen, wenn in der gehobenen Mittelklasse ein BEV (Batteriefahrzeug – S.B.) statt eines Autos mit Verbrennungsmotor genutzt wird (direkte Förderung plus geringere Steuereinnahmen). Zum Vergleich: Die Ausgaben der öffentlichen Haushalte pro Schüler lagen in Deutschland im Jahr 2019 bei EUR 8.200.“
Die Autoren Katharina Knuth und Eric Heymann resümieren: „Der Umstieg auf Elektromobilität leistet einen Beitrag für den Klimaschutz. Dieser wird durch technischen Fortschritt und Größenvorteile in der Produktion künftig noch größer werden. Vorerst ist der Klimaeffekt aber noch klein und teuer erkauft. Die CO2-Vermeidungskosten können die Schwelle von EUR 1.000 pro Tonne übersteigen.“
Er bemängelt auch: „Beim Blick auf die fiskalischen Effekte ist ferner die soziale Schieflage problematisch. Besserverdiener profitieren aktuell nämlich am meisten von den Fördermaßnahmen, während Geringverdiener (mit eigenem Auto) gemessen an ihrem verfügbaren Einkommen einen recht hohen Teil der Fördermaßnahmen zahlen.“
Diese Brief habe ich per Mail an Christian Lindner geschickt:
Sehr geehrter Herr Lindner,
ich schreibe Ihnen persönlich, weil ich glaube, dass zu diesem Thema des Tempolimits noch Argumente nicht gesagt sind. Ich habe für eine Bürgerinitiative hier in Wörthsee (Nahe der Lindauer Autobahn, auf der sich vorzugsweise Schweizer Mitbürger absurde, nachts hörbare Wettrennen liefern) das Thema kurz beschrieben und bin dabei auf einen Artikel von DB Research (Deutsche Bank) gestoßen, der doch Anlass zum Nachdenken gibt. Laut Umweltbundesamt ließen sich durch ein Tempolimit von 130 km/h immerhin etwa 1,9 Mio. Tonnen CO2 Äquivalente pro Jahr einsparen. Laut der Studie DB Research kostet den Steuerzahler die Förderung der Elektromobilität mit den derzeit beschlossenen Programmen den Steuer etwa 1000 Euro pro vermiedener Tonne an CO2 Äquivalenten. Also kosten 1,9 Millionen eingesparte Tonnen pro Jahr etwa 1,9 Milliarden Euro. Das also ist es uns wert, den kostenlosen Effekt des Tempolimits nicht durchzusetzen. Ich finde das nicht in Ordnung.
Ein zweites Thema dazu noch: Ich habe oben die Autorennen erwähnt. Zu diesen Phänomenen gehören inzwischen auch Schlägereien, die Raser anzetteln, die sich von normale Geschwindigkeiten fahrenden Bürgern behindert fühlen. Hierzu können Sie diesen Artikel der Allgäuer Zeitung lesen (https://www.allgaeuer-zeitung.de/allgaeu/b12-bei-buchloe-raser-schlägt-anderen-autofahrer-krankenhausreif_arid-148577) Was sie aus solchen Vorfällen ersehen können, ist das Problem der Enthemmung, dem im Rausch der hohen Geschwindigkeit offenbar mancher männlicher Raser erliegt. Breiter betrachtet fügt sich dieses Thema in eine generelle Absenkung von Hemmschwellen im Umgang miteinander ein. Insofern setzen Sie als kultivierter Mensch ein völlig falsches Zeichen.
Zurück zum Klimaschutz. Richtig an Ihrem politischen Ansatz ist das Prinzip, die Klimakrise mit Anreizen zur Investition in Innovationen zu bekämpfen, was über die CO2 Bepreisung gesteuert werden kann. Falsch finde ich, einfache und sofort und kostenlos wirksame Maßnahmen wie das Tempolimit als Gegensatz dazu aufzubauschen. Wir brauchen das Tollhaus Autobahn schon lange nicht mehr. Es gibt keinen Staat auf dieser Erde, der diese freie Fahrt seinen Bürgern gestattet.
Mit freundlichen Grüßen
Stephan Bleek
Jetzt ist es heraus: Regierung einigt sich auf Tempo 350: https://www.der-postillon.com/2019/10/tempolimit-350.html