HVO 100 in Weßling

Der seit ein paar Tagen endlich auch in Deutschland zugelassene HVO100 Kraftstoff, ein synthetisch aus Reststoffen erzeugter Diesel, ist an der freien Tankstelle in Weßling erhältlich. Damit können Diesel-Fahrer einen ad hoc wirksamen Beitrag zur Reduzierung des Verbrauchs fossilen Erdöls leisten. Der Kraftstoff eignet sich für gängige neue Dieselmotoren. In der Tankklappe dieser Fahrzeuge ist ein Aufkleber „XTL“ dafür angebracht.
HVO 100 Verfügbarkeit in Europa

Quelle: Pressematerial HVO100 Team.

„HVO ist sauberer, frei von Schwefel sowie Aromaten und hat 74 statt 54 Cetan. Nur bei uralten Vorkammer-Dieseln kann es theoretisch vorkommen, dass der Sprit ‚zu gut‘ verbrennt und dadurch Temperaturprobleme bei Dauerbelastung auftreten. Mir wäre aber kein Fall bekannt – halb Schweden tankt HVO in alte Volvos und Diesel aller Generationen“.
Christian Nikolai, Fuel Motion

Eigentlich ist HVO100 ein relativ alter Hut. Der synthetische Dieselkraftstoff hat beispielsweise in Kalifornien einen Marktanteil von 50%. Kurioserweise war ein in Deutschland bis vor ein paar Tagen verboten. Einige Tankstellen haben ihn jetzt bereits im Angebot. Für Wörthsee gut erreichbar ist die freie Tankstelle in Weßling. Dort ist der Sprit auch relativ preisgünstig erhältlich. Der Kraftstoff ist nach einigen Veröffentlichungen für die meisten auch älteren Dieselmotoren ohne Probleme nutzbar. Die Hersteller haben dazu eine Freigabeliste erstellt. Informationen zu Ihrem Wagen hat die Vertragswerkstatt des Herstellers.

Welche Vorteile hat HVO?

HVO hat eine gute Umweltbilanz und kann ein wichtiger Beitrag zur Reduzierung des Verbrauchs an fossilem Diesel bringen. Im Vergleich zu fossilem Dieselkraftstoff soll sich mit HVO100 (=100 % rein HVO) eine CO2-Reduzierung um rund 90 % realisieren lassen. Eine Lösung des Problems ist er vermutlich nicht, aber ein wichtiger Schritt hin zur Co2-Neutralität.

HVO gilt im Vergleich zu herkömmlichem fossilem Diesel als nachhaltigerer Kraftstoff. Er wird aus erneuerbaren Quellen wie Abfällen von tierischen Fetten und gebrauchtem (pflanzlichen) Speiseöl hergestellt. Die verwendeten Rohstoffe können wieder angebaut oder recycelt werden, so dass eine kontinuierlicher Kreislauf gewährleistet werden kann. Bei der Verbrennung von HVO werden weit weniger Treibhausgase freigesetzt als bei fossilem Diesel. HVO kann zur Verbesserung der Luftqualität beitragen, da es weniger schädliche Emissionen wie Rußpartikel und Stickoxide erzeugt. Der Weltmarktführer, der finnische Hersteller Neste schreibt dazu: „Alle Neste-Raffinerien, die erneuerbare Produkte herstellen, wurden nach dem ISCC-System (International Sustainability and Carbon Certification, Internationale Nachhaltigkeits- und Kohlenstoffzertifizierung) zertifiziert und haben die Freigabe durch die amerikanische Umweltschutzbehörde (Environmental Protection Agency, EPA) erhalten. Darüber hinaus verfügen die Raffinerien in Porvoo, Rotterdam und Singapur über ein nach DIN ISO 14001 zertifiziertes Umweltschutzmanagementsystem.“

In welcher Menge ist HVO verfügbar?

In welchen Mengen HVO tatsächlich umweltfreundlich hergestellt werden kann, muss erst noch untersucht werden. Der HVO Hersteller Neste nutzt in Rotterdam und in Finnland Strom aus erneuerbaren Energiequellen. Im Herstellungsprozess der Hydrierung wird bis jetzt noch kein regenerativ hergestellter Wasserstoff verwendet. Der Transportweg kann nicht 100 % klimaneutral dargestellt werden. In Deutschland werden derzeit pro Jahr 33 Mio. Tonnen Diesel verbraucht. Die Raffinerie von Neste, die in Rotterdam den HVO100 Sprit herstellt, hat eine Kapazität von 4 Mio. Tonnen. Eine weitere Raffinierie betreibt Neste in Finnland. Die Kapazität soll bis 2030 verdoppelt werden. Auch die ENI in Italien hat vor einigen Jahren in ihren Raffinerien Porto Maghera bei Venedig und in Gela die HVO-Produktion mit einer Kapazität von derzeit 1,4 Mio. Tonnen aufgenommen. In Italien gibt es bereits ein dichtes Netz an HVO100 Tankstellen. Total Energies in Frankreich produziert in der Normandie in La Mède etwa 0,5 Mio. t HVO Kraftstoff im Jahr. Weitere Produzenten in Spanien und Schweden erzeugen zusammen eine weitere Million Tonnen. Der mögliche Beitrag von HVO zur CO2-Neutralität in der gesamten EU ist also noch überschaubar.

Warum gibt es in Deutschland keine HVO Hersteller?

In Deutschland werden erst jetzt erste Raffinerien, wie die von BP in Lingen, für die HVO Produktion umgebaut. Ein weiteres Indiz, das unser Land seine einst respektable Position beim Klimaschutz im Merkeljahrzehnt planvoll verspielt hat, sodass kein Großinvestor bereit war, hier in neue Technologien abseits von Putins Erdgas zu investieren. Ein finnischer Hersteller passte nicht ins deutsche geostrategische Konzept. Googelt man „HVO Raffinerie in Deutschland“, kommt zur Zulassung von HVO100 der bemerkenswerte Satz: „Der freie Verkauf war zuvor nicht möglich, da HVO die DIN EN 590 nicht erfüllt, sondern die DIN EN 15940, welche nicht Teil der 10.BImschV war.“ Deutsche Bürokratie halt.

Kritisieren muss man allerdings die Haltung des Verkehrsministers Wissing, der HVO100 jetzt als Alternative zum Tempolimit auf der Autobahn verkaufen will. Die derzeitigen HVO-Raffineriekapazitäten sind viel zu klein und jeder Schritt zur Reduzierung des Kraftstoffverbrauchs ist höchst dringend und sollte daher gegangen werden, inklusive Tempolimit, das den Spritverbrauch in Deutschland um etwa 5% signifikant senken wird.