WörthZero – Landnutzung
Im Jahr 2005 haben der Landkreis Starnberg und seine Gemeinden gemeinsam beschlossen, bis 2035 bei Energieerzeugung und -verbrauch klimaneutral zu werden. Auf der Webseite der Gemeinde ist zum Thema Klimaschutz im 5 Seenland das integrierte Klimaschutzkonzept von 2010 zu finden. Doch wo stehen wir heute bei der Energiewende?
Buchenwald im Gemeindegebiet. Foto: Bleek
„Ich bin der festen Überzeugung: Um Umwelt, Arten und Klima zu schützen, brauchen wir integrierte Lösungen. Wir müssen raus aus dem fossilen Zeitalter – und dafür sind grüner Kohlenstoff und erneuerbare Energie nötig! Multifunktionale Nutzung und integrierter Umweltschutz sind dafür nötig. Eine wirklich nachhaltige Landwirtschaft muss daher vier Aufgaben gleichzeitig erfüllen: 1. Lebensmittel erzeugen, 2. erneuerbare Energien bereitstellen, 3. Roh- und Werkstoffe ersetzen, die auf fossilen Rohstoffen basieren und – last but not least – 4. Ressourcen und Biodiversität erhalten.“
Wiese im Gemeindegebiet. Foto: Bleek
„Sowohl die sogenannte Borchert Kommission als auch die Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) mit Mitgliedern aus den Bereichen Landwirtschaft, Wirtschaft, Umwelt-, Natur-, Tier- und Verbraucherschutz sowie Entwicklungszusammenarbeit und Wissenschaft haben bereits vor Jahren detaillierte Empfehlungen und Vorschläge erarbeitet. Diese ermöglichen auch in Zukunft eine nachhaltige, das heißt ökologisch und ökonomisch tragfähige, sowie sozial verträgliche Landwirtschaft in Deutschland. Alles, was wir tun müssen, ist diese Empfehlungen umsetzen.“
Weidewirtschaft im Gemeindegebiet Meiling. Foto: Bleek
„Deutschland hat sich zum Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2045 klimaneutral zu werden. Angesichts der kurzfristig großen Einsparpotenziale in anderen Sektoren werden Landwirtschaft und Landnutzung schrittweise eine immer bedeutendere Rolle in der Bekämpfung des Klimawandels spielen. Zu bedenken ist dabei jedoch: Nahrungsmittel lassen sich nicht komplett ohne Treibhausgasemissionen erzeugen. Dennoch ist zur Erreichung der rechtlich festgelegten, verfassungsrechtlich begründeten und auch völkerrechtlich verbindlich vereinbarten Klimaziele eine deutliche Reduktion der Treibhausgasemissionen aus Landwirtschaft, Ernährung und Landnutzung sowie ein langfristiger Ausbau der Senkenfunktion in diesen Bereichen notwendig.“
Agri PV in Heggelbach. Foto: Hofgemeinschaft Heggelbach
Agri PV. Foto: Next2Sun
Im Bereich der Gemeinde Wörthsee gibt es abseits der bebauten Flächen Waldgebiete, ein Moorgebiet, das unter Naturschutz stehet, Wiesen und Ackerland. Von den 2072 ha Gemeindegebiet sind 657 ha Wald (32%) und 724 ha landwirtschaftlich genutzte Fläche (36%). Gewässer bedecken 207 ha (10%). Die Siedlungs- und Verkehrsflächen machen 354 ha oder 17% der Gesamtfläche aus. Die Landnutzung ist ein wichtiger Aspekt bei der Energiewende in Wörthsee.
Wald und Grünland sind wichtige Co2 Speicher
Photosynthese entzieht der Atmosphäre Co2 und ist daher bester Klimaschutz. Die Waldflächen, die fast ein Drittel des Gemeindegebiets bedecken, tragen viel zur CO2 Bilanz des Gebiets bei. Laut statistischem Bundesamt speichert ein ha Wald pro Jahr etwa 10-12 Tonnen Co2. Die 657 ha der Gemeindefläche also etwa 7.200 Tonnen. Dieser Kohlenstoff wird einerseits im Waldboden durch Humusbildung gespeichert und anderseits in der Zunahme des Holzes, wenn der Baum wächst. Die Bewirtschaftung des Waldes sollte also auf eine positive Humusbilanz achten und darauf, dass möglichst viel des entnommenen Holzes dauerhaft zum Beispiel als Bau- oder Möbelholz genutzt wird.
Jeder Gemeindebürger verursacht statistisch derzeit eine Emission von etwa 11 Tonnen Co2 pro Jahr, das heißt bei 5.000 Bürgern kommen wir auf etwa 55.000 Tonnen, von denen die Waldfläche etwa 13% kompensieren kann.
Von den 724 ha landwirtschaftlich genutzter Fläche entfallen 267 ha auf Wiesen und Weiden. Solches Grünland ist ebenfalls eine Co2 Senke. Es nimmt pro ha allerdings je nach Nutzungsart unterschiedlich viel Co2 auf, etwa bis zu 17 Tonnen pro Jahr. Diese Aufnahme geschieht im wesentlichen durch Blatt- und Humusbildung. Insofern sieht man bereits, dass es sehr wichtig ist, möglichst viel Boden während der Vegetationsperiode „grün“ zu belassen, denn grüne Pflanzen sind aktive Kohlenstoff“esser“. Optimistisch gerechnet, können die Wiesen des Gemeindegebiets etwa 4.500 Tonnen Co2 im Jahr aus der Atmosphäre holen. Weitere 8% der Emissionen. Allerdings wird bei Weidenutzung das Grünmaterial zu einem großen Teil durch das Vieh genutzt, die Bewirtschaftung muss also so erfolgen, dass sich dennoch zusätzlicher Humus im Boden anreichert.
Auch beim Ackerland ist die entscheidende Substanz, die Kohlenstoff im Boden dauerhaft bindet, der Humus. Wie viel Kohlenstoff ein Boden speichern kann, ist also von seinem Humusgehalt abhängig. Über die Art der Bewirtschaftung wiederum können Betriebe die Bildung von Humus beeinflussen. Und sie könnten – das wäre ein sinnvoller Anreiz – bei einer positiven Co2 Bilanz ihrer Äcker, d.h. bei einer Erhöhung des Humusgehalts und entsprechender Speicherung von Co2 dafür aus Mitteln des Zertifikatehandels prämiert werden. Das Thünen-Institut hat ermittelt, dass ein entsprechend bewirtschafteter Ackerboden immerhin noch die Hälfte der Co2 Bindung des Grünlandes erwirtschaften kann. Also vielleicht 7-8 Tonnen pro ha und Jahr. Was wiederum in der Gemeinde bei 500 ha Ackerland etwa 3.500 bis 4.000 Tonnen bedeuten würde.
In Summe speichern die Flächen der Gemeinde pro Jahr etwa 16.000 Tonnen Co2 pro Jahr, das sind 29% der privaten Emissionen.
Ohne dass man ein Agrarexperte sein muss, ist auf den ersten Blick erkennbar, dass eine die Co2 Speicherung optimierende Wald- und Bodennutzung ein enormer Hebel im Kampf gegen den Klimawandel ist. In einem Interview mit dem LBV hat der Vorsitzende des Bayerischen Bauernverbandes im Februar 2024 (siehe Kasten links) ausgeführt, dass Bäuerinnen und Bauern seines Verbandes in größter Sorge um die Artenvielfalt und funktionierende Ökosysteme seien.
Günther Fellner (BBV) „Wir müssen raus aus dem fossilen Zeitalter – und dafür sind grüner Kohlenstoff und erneuerbare Energie nötig! Multi- funktionale (Flächen)-Nutzung und integrierter Umweltschutz sind dafür nötig.“
Neuer Weg: Agri PV
Mit „Agri-Photovoltaik“ (Agri-PV) werden Verfahren zur gleichzeitigen Nutzung von Flächen für die landwirtschaftliche Pflanzenproduktion (Photosynthese) und die PV-Stromproduktion (Photovoltaik) bezeichnet. Das Fraunhofer Institut schreibt dazu: „Die Agri-PV-Technologie hat sich in den letzten Jahren sehr dynamisch entwickelt und in fast allen Regionen der Welt verbreitet. Die installierte Agri-PV-Leistung stieg exponentiell von ca. 5 MWp im Jahr 2012 und ca. 2,9 GWp (2018) auf mehr als 14 GWp im Jahr 2020, mit staatlichen Förderprogrammen in Japan (seit 2013), China (ca. 2014), Frankreich (seit 2017), den USA (seit 2018) und zuletzt Korea.“
Auch in unserer Region gibt es erste Anlagen, wie in Althegnenberg. Besonders kleine Flurstücke, die für große Maschinen eher schlecht zu bewirtschaften und die eine besondere Nutzung wie im Garten- oder Obstbau erfahren, sind bereits in Umstellung. Wie man in Heggelbach sieht, können aber auch Mähdrecher unter einer Agri-PV Anlage hindurchfahren.
Die Module sind bei diesen Anlagen entweder Schwenkbar angeordnet oder in einem neueren Ansatz in senkrecht in Nord-Süd Achse, wodurch sie das Morgen und Abdendlicht mit bifazialen Modulen sammeln können. Dieser Solarstrom entsteht zu Tageszeiten mit hohem Strombedarf, weshalb die Erträge auch ohne EEG lukrativ sein können.
Das Fraunhofer Institut ermittelt ein riesiges technisches Potential von ca. 1700 GWp in Deutschland. Die Stromgestehungskosten sind günstiger als bei kleinen PV Dachanlagen und das Problem des Flächenverbrauchs bei den Freiflächenanlagen, die landwirtschaftlich nutzbaren Boden besetzen, entfällt. Es gibt sogar einen Zusatznutzen für die Landwirtschaft u. a. durch Schutz vor Hagel-, Frost- und Dürreschäden. Für die Landwirte kommt es darauf an, dass die auf der Fläche weiterhin erzielbaren landwirtschaftlichen Erträge zuverlässig abgeschätzt werden, denn es geht um langfristige Investitionen. Auch die weitere Optimierung des Anlagendesigns hinsichtlich der landwirtschaftlichen Bewirtschaftung ist Thema. zum Beispiel bei Agri-PV mit Tierhaltung. So das Fraunhofer Institut.
In Wörthsee könnte man daran denken, die Grünfläche an der Pizzakreuzung für eine Agri-PV-Anlage mit kombinierter Blumenzucht zu nutzen. Als eine Demo-Anlage, die die neuen Möglichkeiten zeigt. Julia Eder hat in Agrarheute dazu viele Aspekte beschrieben: Vertikale Agri-PV: Für welche Landwirte lohnt die billigste Anlage?
Möglichkeiten zur Landnutzung im Gemeindegebiet
- Land- und Waldnutzung mit klimaneutraler Bilanz bedeutet den Aufbau von Humus zu fördern und durch Partizipation an den Einnahmen im Co2 Zertifikatehandel zu honorieren.
- Aufforstung und Grünflächen: Photosynthese entzieht der Atmosphäre Co2 und ist daher bester Klimaschutz. Die Grünbedeckung wäre, wo möglich, zu verbessern um mehr Kohlendioxid zu absorbieren. Aufgelockerte, naturnahe Waldflächen sind bessere Co2 Speicher als dicht gewachsener Buchenwald.
- Ansaat und Mähung für optimales Grünhalten der Felder.
- Agri PV ermöglicht Zusatzeinkommen durch Doppelnutzung zur Stromerzeugung und zur Bewirtschaftung der Fläche.
- Wo sinnvoll, die Umstellung landwirtschaftlicher Flächen auf Ökolandbau ins Auge fassen.
- Möglichkeiten zur Biogasgewinnung prüfen und ggf. Anlage implementieren.
- Anpflanzungen von Streuobstwiesen
- Vernässung der Moorwiesen und Torfaufbau im Naturschutzgebiet Schluifelder Moos weiter verbessern.
- Vernässung weiterer Toteissenken im Waldgebiet für mehr Lebensraum für Amphibien.
- Tourismus, Freizeit: Aufklärung über Naturschutzgebiete und Vollzug des Betretungsverbots nach dem Bayerischen Naturschutzgesetz und dem Waldgesetz.
- LED Straßenbeleuchtungskonzepte, die die Lichtverschmutzung mindern und nachaktiven Tieren und Insekten optimalen Schutz bieten.
Diese erste Liste an Ideen wird weiter besprochen und ausgearbeitet. Mehr zur Energiewende Wörthsee, zu Wörth-Zero hier.
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