WörthZero – Energieversorgung ohne fossile Brennstoffe
Im Jahr 2005 haben der Landkreis Starnberg und seine Gemeinden gemeinsam beschlossen, bis 2035 bei Energieerzeugung und -verbrauch klimaneutral zu werden. Auf der Webseite der Gemeinde ist zum Thema Klimaschutz im 5 Seenland das integrierte Klimaschutzkonzept von 2010 zu finden. Doch wo stehen wir heute bei der Energiewende?
Anteil erneuerbarer Energien beim Stromverbrauch 2022 im Landkreis Starnberg. Quelle: Landratsamt Starnberg.
Der Verein Energiewende Landkreis Starnberg arbeitet seit Jahren daran, die Energiewende im Landkreis voranzubringen. In Herrsching wird eine kostenlose Energieberatung angeboten.
Klimaschonend Heizen
„In der Untersuchung schneiden Wärmepumpen in Einfamilienhäusern nicht nur als umweltfreundlichster, sondern auch als wirtschaftlichster Energieträger ab. Die Gesamtkosten können durch Photovoltaik für den Eigenverbrauch noch gesenkt werden. In Mehrfamilienhäusern ist die Umstellung auf Wärmepumpen oder Fernwärme ebenfalls kostengünstiger als eine erneuerte Gasheizung.“
Beispiel Maisach
Die Gemeinde Maisach im Landkreis Fürstenfeldbruck hat einen Energiemonitor online gestellt. Er zeigt live Erzeugung und Verbrauch an.
„Systemwechsel nach 100 Jahren fossiler Energieträger:
- Prozess ist kein Sprint, sondern ein Marathon;
- Prozess ist nur möglich, wenn ihn Bürgerinnen und Bürger und Kommune gemeinsam gehen und auch finanziell tragen;
- Chance, die Energieversorgung in die kommunale und damit in die Hand der Bürgerinnen und Bürger zu bekommen;
- Klimaschutz ist ein globales Thema;
- Realistisch sein und auf dem Boden bleiben bei den Zeiträumen, im Bewusstsein:
Was kann der Bürger, was kann die Kommune finanziell leisten?
- Wohnraum und Wohnbau müssen leistbar bleiben;
- Wir müssen uns gemeinsam auf den Weg machen, in Verantwortung für die Gegenwart und besonders für nachfolgende Generationen“
Foto: VoltStorage
Langzeitspeicher
„Long Duration Energy Storage Anwendungen auf Basis von Redox-Flow-Technologien, wie wir sie in unserer Eisen-Salz-Batterie umsetzen, erfüllen nicht nur die Kapazitätsanforderungen, um den Bedarf zu decken. Sie bieten zudem auch wirtschaftliche und ökologische Vorteile und tragen dazu bei, die Energieversorgung insgesamt sauberer zu machen.
Sie überbrücken nicht nur kurze Tag-Nacht-Anforderungen, sondern können Energie über eine Zeit von bis zu 100 Stunden aufnehmen und abgeben. Dies stellt Energiesicherheit über alle Jahreszeiten hinweg her und trägt dazu bei, das Stromnetz stabil zu halten, die Versorgungssicherheit zu verbessern und den Anteil erneuerbaren Energien zu erhöhen.“
Der Fortschritt auf dem Weg zur Energieversorgung ohne fossile Brennstoffe ist mühsam. Der Anteil der erneuerbaren Energien am Stromverbrauch in Wörthsee liegt laut Webseite des Landratsamts 2022 gerade einmal bei 16,5%, im Landkreis Starnberg bei 18,1%. Zu konkreten Maßnahmeplänen haben die Klimabeschlüsse bislang nicht geführt. Das Tempo der vergangenen 15 Jahre ist offensichtlich viel zu langsam. Machen wir so weiter wie bislang, dauert es 150 Jahre, bis das Ziel erreicht ist. Wie also können wir innerhalb des nächsten Jahrzehnts doch noch die Energiewende für null fossile Emissionen erreichen?
Klima Aktionsplan Wörthsee
Der Energieverbrauch eines privaten Haushalts hat drei wesentliche Bereiche:
- Wärmeerzeugung (70%),
- Haushaltsstromverbrauch (ca. 13%),
- private Mobilität ca 17%.
Das Statistische Bundesamt stellt für alle wesentlichen Betrachtungen des Energieverbrauchs aggregierte Materialien zur Verfügung. Laut DeStatis ist der größte Block im privaten Energieverbrauch die Erzeugung von Wärme im Wohnbereich. 70% der CO2 Emissionen in den Haushalten gehen auf dieses Konto. Die Umstellung der im Gemeindebereich vorhandenen Öl- und Gasheizungen ist daher der wichtigste Schritt, um die Emission von fossilem CO2 zu beenden. Hierfür ist der Aufstellung eines kommunalen Wärmeplans sinnvoll und die Gemeinde hat erreicht, in das Zuschussprogramm des Bundes aufgenommen zu werden.
Wärmeerzeugung
Da laut Statistik der pro-Kopf Energieverbrauch in Deutschland bei 17.633 kWh liegt, lässt sich mit dieser Zahl der gesamte, im privaten Bereich anfallende Energiebedarf in unserer Gemeinde mit etwa 5.000 Einwohnern auf 35.658.524 kWh pro Jahr oder 35 Gigawattstunden ausreichend genau abschätzen. Hinzu kommt der Gewerbesektor.
70% dieser statistischen Größe entfallen auf Wärmeerzeugung also etwa 25 GWh. Eine Kontrollrechnung zu diesem Pauschalwert auch über die Anzahl an Gebäuden und Wohnungen im Ort aufgemacht werden. Wir haben etwa 1210 Einfamilienhäuser in der Gemeinde und deren Wärmeenergiebedarf liegt pro Haus im Schnitt bei 15.000 kWh im Jahr. Hinzu kommen 1210 Wohnungen in Mehrfamilienhäusern, bei denen der durchschnittliche Bedarf pro Wohnung und Jahr bei etwa 8.000 kWh liegt. Hiernach liegt der statistische Wärmeenergiebedarf der privaten Gebäude in der Gemeinde zusammengenommen bei etwa 28 GWh.
Ein wesentlicher Punkt bei dieser Rechengröße wird die Erzeugung dieser Wärmeenergie sein. Wärmepumpen arbeiten mit einem Effizienzfaktor von bis zu 4, der sogenannten Jahresarbeitszahl. Bei einer JAZ von 4 werden für die Erzeugung der Wärmeenergie für ein Einfamilienhaus etwa 7.000 kWh Strom benötigt. Die tatsächlich erreichten Werte liegen bei Luftwärmepumpen momentan etwas darunter, aber es ist zu erwarten, dass Optimierung bei der Technologie und Verbesserungen der Beheizungssysteme hier noch einen Fortschritt bringen. Fortschritte bei der Dämmung sind ebenfalls zu erwarten. Ein sehr gut gedämmtes Haus benötigt nur etwa die Hälfte der Energie, wie oben angenommen. Dennoch wird das „Worst Case Szenario“ die Realität ausreichend genau, aber mit einen guten Chance, besser zu sein, abbilden. Bei allem ist zu bedenken: Wohnen muss bezahlbar bleiben.
Beleuchtung und Prozessenergie
Bereits elektrifiziert sind zwei weitere wesentliche Größen im Haushaltsbereich Beleuchtung und „Prozessenergie“ wie zum Beispiel für das Kochen oder alle übrigen Elektrogeräte. Der durchschnittliche Verbrauch hierbei liegt im Jahr bei 1.320 kWh pro Kopf, also in Wörthsee bei rund 6.6 GWh pro Jahr. In diesem Bereich bringen moderne Geräte Einsparpotential. Vor allem aber kommt es jedoch darauf an, den verbrauchten Strom auch zu 100% fossilfrei zu erzeugen.
Mobilität
Der dritte wichtige Sektor im privaten Energieverbrauch ist die Mobilität. In Wörthsee sind etwa 3.400 private PKW zugelassen, 88% davon sind derzeit Verbrenner. Erst 6% oder 200 Fahrzeuge sind reine BEV Elektrofahrzeuge. Stellen wir die PKW Flotte in Wörthsee rechnerisch auf Elektrofahrzeuge um, beträgt der anzunehmende durchschnittliche Verbrauch beim derzeitigen Stand der Technik etwa 17 kWh pro 100 km, zusammengenommen ebenfalls etwa 9 GWh im Jahr. Werden sich in den kommenden Jahren die erwarteten Fortschritte bei den Batterien einstellen, also vor allem die Reduzierung ihres Gewichts bei gleicher Leistung, werden die E-Autos auf einen niedrigeren Bedarf kommen. Mehr dazu steht im Kapitel Nachhaltige Mobilität.
Nehmen wir alle drei Bereiche des Energiebedarfs zusammen, kommen wir bei Vollelektrifizierung auf einen Bedarf von etwa 22 GWh Strom im Gemeindebereich Wörthsee.
Der Strombedarf der Zukunft
Die vorgestellte Schätzung zeigt den tatsächlichen maximalen Bedarf der privaten Haushalte. In der Realität wird der Bedarf anders ausfallen, zumal Entscheidungen der Bürger nicht per Verordnung getroffen werden dürfen. Dennoch steht das Nullemissions-Ziel längst verbindlich vereinbart fest und das heißt, dass die Simulation durchaus eintreten wird.
Nochmals: ein kommunaler Wärme- und Energieplan ist nötig, um dieses Thema genauer abzubilden. Wir vermuten, dass sich der Strombedarf in Wörthsee gegenüber den derzeitigen Werten mehr als verdoppeln wird.
Schätzung zum Haushaltsstrombedarf in Wörthsee (kWh) bei Vollelektrifizierung. ca. 2035. Quelle: Eigene Berechnung auf Basis DeStatis
Energiebedarf im Jahresverlauf
Da der Verbrauch an Wärmeenergie die wesentliche Größe in dieser Gesamtrechnung ist, wird im Winter am meisten Energie gebraucht. 73% der Wärmeerzeugung fallen auf die Monate November bis März. Der Energiebedarf der privaten Verbraucher in der Gemeinde kann sich (bei Vollelektrifizierung) in der kalten Jahreszeit auf bis zu 76.600 kWh am Tag summieren. Dieser Spitzenwert wird jedoch vermutlich nicht erreicht werden, da energiesparende Technologien den Bedarf besonders bei Heizung und Mobilität noch senken werden.
Um die Energiewende mit dem Ziel einer Versorgung dieses Bedarfs zu 100% mit erneuerbarer Energie zu erreichen ist ein solcher Spitzenbedarf ein wichtiger Maßstab. Niemand kann riskieren, dass im Winter das Energiesystem zusammenbricht. Mit dem Gespenst der sogenannten Dunkelflaute wird seit längerem Stimmung gegen die Umstellung der Stromerzeugung auf Erneuerbare gemacht. Da im Winter die Solarenergie nur schwache Ausbeute erbringen kann, hängt fast alles am Wind. Und was, wenn dieser nicht weht? Wie sehen also die Möglichkeiten für Wind- und Sonnenstrom zur Versorgung von Wörthsee aus?
Stromerzeugung im Jahresverlauf
Was ist erforderlich, um die benötigten 22 GWh an Energie für die privaten Haushalte vollständig mit erneuerbarer Energie zu erzeugen? In Wörthsee sind derzeit fast 500 PV-Dachanlagen installiert, die etwa 3 GWh im Jahr an klimaneutralem Strom erzeugen. Hinzu kommt seit Februar 2024 der Bürger-Solarpark am Ziegelstadl, der weitere 5 GWh Strom erzeugt.
Geplant sind derzeit 4 Windräder im Gemeindebereich. Ein Windrad in der Gemeinde Berg im Landkreis erzeugt bis zu 7 GWh pro Jahr, da in Süddeutschland die Windenergie nicht besonders leistungsfähig ist. Neue Anlagen, die aktuell geplant werden sind höher und leisten sehr viel mehr. Dennoch, ein Ausbau der PV-Dachanlagen auf 8 GWh, der rechnerisch möglich ist, die Inbetriebnahme eines weiteren (bereits geplanten) Solarparks entlang der A96 sowie 2 Windräder (ca. 14 GWh) reichen rechnerisch mit 32 – 35 GWh bei weitem aus, den Strombedarf aller Haushalte bei Vollelektrifizierung zu decken.
Doch auf den ersten Blick sieht man: im jahreszeitlichen Verlauf ist die Erzeugung im Sommer zu hoch und im Winter zu gering, es braucht also Speicher.
Quelle der Basiszahlen: BdEW 2024, Quellenangabe:
Destatis
BDEW Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e.V.
Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW)
Statistik der Kohlenwirtschaft e.V.
AG Energiebilanzen e.V.
Stromspeicherung
Der Speicherbedarf für elektrische Energie ist bei Nutzung der Erneuerbaren enorm. Auf den ersten Blick ist auf der Grafik zu sehen, dass die PV-Anlagen besonders dann viel Strom erzeugen, wenn der Bedarf eher gering ist. Windkraft dagegen folgt übers Jahr recht gut dem Bedarf. Beide zusammen reichen jedoch nicht, um den Verbrauch in den Wintermonaten zu decken.
Was ist nun von der sogenannten Dunkelflaute zu halten? Wie und vor allem für wie lange kommt es im Winter zu Flauten, wenn auch die PV nichts bringt? Auch wenn diese Flauten, europaweit gedacht, im Verbundnetz ausgeglichen werden können, ist der Aufbau einer großen Stromspeicherkapazität zwingend, um Versorgungssicherheit zu garantieren.
Speicher, die eine Kapazität von 48 Stunden haben, reichen aus, um die schwankende Windenergie zu 95% verfügbar zu machen. Wind- und Solarenergie können durch Batteriespeicher grundlastfähig werden. Der Preis für diese Lösung wird deutlich unter Gas-Reservekraftwerken liegen.
Auch lokale Anlagen wird es brauchen. In Wörthsee sind bereits heute 105 kleine private Speicheranlagen installiert mit etwa 715 kWh Kapazität, was ein allererster Anfang ist. Da die private Stromspeicherung bei Betrieb einer Solaranlage sehr kostensparend ist, werden in den kommenden Jahren viele hundert Anlagen hinzukommen, die zusammengenommen 10 bis 20 MWh Kapazität haben könnten.
Große Batteriespeicher von einigen hundert MWh müssen mit einer anderen Batterietechnologie als Lithium gebaut werden. Die Lösung sind organische Flussbatterien oder Salz Eisen Batterien.
Das österreichische Burgenland will sich mit Hilfe der CMBlue Solid Flow Batterie-Technologie, die umweltfreundlich und wirtschaftlich ist, bis 2030 umzustellen: „Das Burgenland hat sich ein klares Ziel gesetzt: Wir wollen und wir werden 2030 klimaneutral, energieunabhängig und damit auch preisunabhängig sein“, betont Landeshauptmann Hans Peter Doskozil. Dazu wird ein organischer Batteriespeicher von Speicherleistung von 100 Megawatt mit einer Kapazität von 300 Megawattstunden installiert. Hier steht mehr zu diesem vorbildlichen Projekt. Auch der deutsche Energieriese Uniper hat ein Pilotprojekt mit dieser Speichertechnologie gestartet – Uniblue. Auch in Wörthsee sollte über eine derartige Lösung nachgedacht werden.
Redox-Flow-Batterien werden auch vom Münchner StartUp Voltstorage entwickelt, hier versucht man mit der Entwicklung von Eisen-Salz Batterien die Speicherkosten auf ein Drittel zu senken.
Auch in Frankreich (KemiWatt), Australien (Redflow) und Italien werden solche Lösungen erarbeitet und es gibt sie auch bereits für den Hausgebrauch. Diese sind jedoch vergleichsweise teuer. Der hohe Preis wird durch eine sehr lange Haltbarkeit kompensiert, die diejenige von Lithium Batterien deutlich übersteigt.
Smart Grid – das Stromnetz der Zukunft
Das intelligente Stromnetz der Zukunft muss durch ein Lastmanagement die enormen Schwankungen bei Erzeugung und Verbrauch abfedern. Ein Lastmanagement wird über Anreize jedem Haushalt eine Chance bieten, seine Stromkosten niedrig zu halten. In den nächsten Jahren werden alle Haushalte mit digitalen Stromzählern ausgestattet. Sie erfassen den Stromverbrauch zeitnah und zeigen, wieviel Strom wir wann verbrauchen.
Im Smart Grid kann jeder Verbraucher und jeder Erzeuger den Strom dann abnehmen bzw. anbieten, wenn es für das gesamte Netz am günstigsten ist.
Muss ich mein Elektroauto abends um 18:30 an die Ladenstation stecken, wenn vielleicht gerade eine Stromspitze das Netz belastet? Oder sorgt ein Smartmeter dafür, dass der Ladevorgang automatisch erst dann beginnt, wenn andere Verbraucher abgeschaltet wurden? Und er garantiert dennoch am nächsten Morgen zuverlässig eine volle Batterie. Und, schaltet er meine Spülmaschine oder Waschmaschine mittags ein, wenn die hauseigene PV-Anlage ausreichend eigenen Strom liefert?
Oder sorgt der Smart Meter dafür, dass der Strom meiner PV Anlage zu einer lukrativen Zeit mit hohen Erzeugerpreisen ins Netz eingespeist oder zwischengespeichert wird? Haben wir in der Nachbarschaft oder in der Gemeinde einen zentralen Speicher dafür? Kann ich mit einem privaten Stromspeicher sogar Geld verdienen, wenn ich zwischengespeicherten Solarstrom vom eigenen Dach zu Spitzenzeit ins Netz einspeise? Und geht das vielleicht vollautomatisch? Es ist auch geplant, die großen Batteriekapazitäten der Elektroautos für die Zwischenspeicherung von Strom nutzbar zu machen – bidirektionales Laden.
Solche Fragen zum Smart Grid werden spannend. Auch diese Themen können die Fachleute bereits beantworten. Informationen stellen das Ministerium oder die Energieversorger bereit.
Bis 2030 müssen die Stromzähler aller Haushalte intelligent sein. Smart Meter kommen und das smarte Netz ebenfalls. Deshalb wäre es gut, wenn die Gemeinde neben dem kommunalen Wärmeplan sich auch einen Plan macht zu einem kommunalen „smarten Netz“, das die vielen privaten Anlagen und die großen Bürger-Solar- und -Windanlagen sowie einen kommunalen Speicher ins Auge fasst.
Weitere Informationen zu WörthZero – Energiewende in Wörthsee stehen hier.
Hinterlasse einen Kommentar