Land.Schafft.Klang

Die Ausstellung „Land.Schafft.Klang“ ist im Freilichtmuseum Glentleiten noch bis zum 30. Juni zu sehen und zu hören. Die Ausstellung des Landesvereins für Heimatpflege widmet sich dem Klang bayerischer Wiesen und Weiden. Ein Hörgenuss!

Land.Schafft.Klang im Freilichtmuseum Glentleiten. Foto: Stephan Bleek

Das große Orchester der Tiere ist zu hören in Original Tonaufnahmen. Foto: Stephan Bleek

Das große Orchester der Tiere begeistert auch Kinder. Foto: Stephan Bleek

Hör gut hin! Der junge Landwirt Johannes Stöcklhuber gibt ein beeindruckendes Statement. Foto: Stephan Bleek

Berührend. Das Requiem für verschwundene Arten von Evi Keglmaier. Foto: Stephan Bleek

Bedrückend. Gedenkbilder für verschwundene Arten. Foto: Stephan Bleek

Fragen an die Landwirtschaft – besonders an die Agrarindustrie. Foto: Stephan Bleek

Arten sterben, Bauern gleich mit. Foto: Stephan Bleek

Von einst 4,7 Mio. Höfen sind 263.000 übrig. Foto: Stephan Bleek

Burn Out bei Landwirten fünfmal häufiger. Foto: Stephan Bleek

Alle Wiesen haben einen eigenen Klang. Doch warum werden sie immer stiller? Der Artenverlust in unserer Agrarlandschaft wird in der Ausstellung hörbar gemacht. Denn das große Orchester der Tiere, das uns Älteren aus der Kindheit noch in guter Erinnerung sein mag, verstummt. Wir hatten unsere kleine Enkelin Amira dabei. Sie strahlte, wenn das große Wiesenorchester der Tiere im Kopfhörer erklang.

Die Biophonie

„In artenreichen, intakten Lebensräumen sind viele Nischen eines Klangraums ausgefüllt. Alle Musiker sind an ihrem Platz – die Biophonie beginnt! Werden Ökosysteme gestört oder übernutzt, verschwindet auch die Vielfalt ihrer Klänge.

„Das Klangspektrum wird ärmer”, heißt es auf einer Tafel in der Ausstellung. Man setzt den Kopfhörer auf und zieht einen Hebel in Richtung „Streuobstwiese“. Der vielstimmige Klang aus Grillen, Insekten, Wind und sich bewegenden Halmen ist überwältigend gut aufgezeichnet. Eine Lust, hier hineinzuhören, die Augen zu schließen und sich die bunt blühende Frühsommerwiese vorzustellen. So klangen Kindheitssommer. Schiebt man den Hebel nach „Vielschnittwiese“ verstummt das Orchester. Ein ödes monotones Rauschen wird nur ab und zu von einzelnen Insektenstimmen moduliert. Und was sahen wir auf dem Weg von Steinebach zur Glentleiten? Vielschnittwiesen. Und was hören wir heute bei unseren Spaziergängen? Rauschen. Flieger? entfernter Autoverkehr? Nur Wind? Wo sind die vielen Stimmen der Wiese geblieben?

Vielschnitt macht stumm

Durch die starke Nutzung kommen auf den Vielschnittwiesen nur noch wenige Arten vor. Zwar erscheinen diese Wiesen ganzjährig frisch grün, haben jedoch kaum Blütenpflanzen – ausser dem düngerverliebten Löwenzahn. Nur wenige Wiesenkräuter überstehen die konzentrierten Nährstoffe, die durch das häufige Düngen mit Gülle im Boden stecken. Nicht einmal zehn Pflanzenarten sind auf solchen Wiesen zu finden. Insekten sind deswegen dort kaum mehr zu hören. Größere Tiere wie Käfer, Molche oder Frösche haben gegen Kreiselmäher keine Chance. Im Wiesenschnitt ist ein fein gehäckselter Cocktail aus all diesen Wesen angerichtet. Nach Jahren solcher Nutzung und Bearbeitung rührt sich hier gar nichts mehr. Der junge Landwirt Johannes Stöcklhuber gibt dazu ein berührendes Statement. Was wird unsere Enkelin einmal hören, an was wird sie sich erinnern?

Die Wiese hören

Vor allem Unterschiede in der Bewirtschaftung bringen Lebensräume mit jeweils anderen Tier- und Pflanzenarten hervor. Wiese ist nicht gleich Wiese.

„Lausche den Klängen der verschiedenen Wiesen und Weiden und den Menschen, die mit ihnen in Verbindung stehen“, fordert die Ausstellung auf. Die Wiesenklänge werden hier in zeitlich verdichteter Form vorgestellt. Das macht sie um so eindrucksvoller. Hervorragende Tonaufnahmen, die ganz besonders sorgfältig bearbeitet sind.

Fragen an die Landwirtschaft

Landwirtschaft ist überlebenswichtig. Die Ausstellung stellt ihr ein paar Fragen.

Warum verschwinden artenreiche Wiesen?

Grasland wurde zu Acker umgebrochen und artenreiche Feuchtwiesen entwässert.

Häufigere Stallhaltung statt Beweidung; zu viel Dünger und zu häufiges Mähen, aber auch Pestizide auf anliegenden Äckern lassen viele Arten verschwinden.“

Wie klingt Abschied?

Wie klingt Abschied? Die Musikerin Evi Keglmaier hat ein Requiem aus Rufen von Tierarten komponiert, die bei uns einst heimisch waren, aber weitgehend verschwunden sind. Der musikalische Dialog mit den Rufen der Arten, die bereits ausgerottet wurden macht eindrücklich den Scheideweg klar, an dem wir uns (hoffentlich) noch befinden.

Gedenkbilder sind Teil bayerischer Trauerkultur. Sie helfen uns beim Abschied von Verstorbenen. Gedenkbilder erinnern sie auf der Ausstellung an Arten, die in Bayern ausgestorben sind, oder deren Bestand in naher Zukunft erlöschen könnte. Und was einmal verschwunden ist, bleibt verschwunden, unwiederbringlich – wenn wir nicht rasch handeln.

„Nehmt euch die Gedenkbilder der Tiere mit, an die ihr euch erinnern wollt. Ihr könnt ihre Rufe mit dem QR-Code auf dem Handy anhören“, steht unter den Karten mit den Gedenkbildern. Das klingt vielleicht unfreiwillig fehlleitend. Ja, wir haben ja unsere Handys. Beim Spazierengehen also das Handy einschalten, den Soundtrack der verschwundenen Arten hören, und gut ist’s?

Eindrucksvoll bei den Fragen an die Landwirtschaft finde ich den Mechanismus, mit dem der Agrarkapitalismus den Ausrottungsprozess der Arten antreibt. „Wachse oder Weiche“. Viel und billig produzieren, möglichst allein, ohne viel menschliche Arbeitskraft mit gigantischer, teurer Maschinerie und Chemie. Produziert bei großen Maschinenbau- und Chemiekonzernen. Wachstum, Subventionen, je größer, desto höher, immer mehr Geld im Kreislauf, oft Schulden. Sozialer Druck, ähnlich wie beim privaten PS-Boliden der Monstertraktor als identitätsstiftendes Statussymbol. Aber in Wahrheit ist die wirtschaftliche Lage vieler Bauern so schwierig, dass längst Burn-Out und Depressionen vorherrschen, verrät eine Tafel in der Ausstellung.

VF900/50 R42 180D

Auf der Rückfahrt von der Glentleiten nahmen wir den Weg über Sindelsdorf und Antdorf über die schön schmale Kreisstraße WM1 nach Weilheim. Dieser Weg führt durch viel Wald und viele Wiesen, auch unberührte Moorwiesen. Doch gleich zu Beginn der Strecke, in Dürnhausen, konnten wir unseren kleinen elektrischen FIAT 500e gerade noch auf den Gehweg und eine Hofeinfahrt rechts verdrücken. Entgegen kam auf der schmalen Dorfstraße eines dieser ganz neuen Agrarungetüme mit 90 Zentimeter breiten und über 2 Meter hohen Rädern Code VF900/50 R42 180D. Dieser Breitreifen „schont“ die Äcker oder Wiesen, wenn das zig-Tonnen schwere Ungetüm über sie rollt, um Gülle oder Pestizide auszubringen. Der Wahnsinn geht also weiter, nimmt noch mehr Fahrt auf. Jetzt wird bald die Forderung kommen, alle Landstraßen für diese Ungetüme zu verbreitern.

Land.Schafft.Klang wird an vielen Bayerischen Orten gezeigt werden. Hört nochmal rein, bevor es die Agrarindustrie geschafft hat, auch noch den allerletzten Klang unserer Kindheit zum Schweigen zu bringen. Was also sollen wir unserer Enkelin zu den Klängen erklären, was eine Grille war, was ein Heuhupfer, eine Erdkröte, ein Laubfrosch?

Land.Schafft.Klang ist noch bis zum 30. Juni auf der Glentleiten zu sehen und zu hören.

Fotos und Beitrag: Stephan Bleek