Tempo 30 – Schulwegsicherheit
Die von vielen Bürgern unterstützte Initiative für Tempo 30 in der Kuckucksstraße und in der Seestraße steht vor der Beratung im Gemeinderat. Dem Vernehmen nach sind bereits Ortsbegehungen mit der Herrschinger Polizei durchgeführt worden. Die Polizei hat eine beratende Rolle. Wir haben uns hierzu das Thema der Schulwegsicherheit in Wörthsee angeschaut.
Ein Urteil des VGH Baden Württemberg vom März 2024 kommt zu dem Schluss, dass an Gefahrenstellen eines Schulwegs Tempo 30 auch ohne vorherige Unfälle zu Recht angeordnet werden kann, unter anderem, weil die „Abwehr von Gefahren für Leib und Leben“ Vorrang hat. Hierzu gibt es in Wörthsee wichtige Daten.
Befragung Wörthseer Schüler
Vor über 10 Jahren fand in Wörthsee eine wissenschaftliche Befragung der Schulkinder und ihrer Eltern statt, die interessante Ergebnisse zu den Schwachstellen der Verkehrssicherheit in der Gemeinde erbracht hat. Roman Dittrich hat in seiner Umfrage eine Reihe an problematischen Situationen ermittelt. Von diesen wurden bislang erst wenige verbessert. Im Bereich der Tempo 30 Anträge zur Seestraße und zur Kuckuckstraße liegen einige der von ihm in seiner Bachelorarbeit beschriebenen Problemstellen.
Die in der Schülerbefragung vor 12 Jahren ermittelten Gefahrenstellen. Quelle: Roman Dittrich, Schulwegplanung Wörthsee. (Bachelorarbeit 2012)
Die in der Schülerbefragung vor 12 Jahren ermittelten Gefahrenstellen in Steinebach. Quelle: Roman Dittrich, Schulwegplanung Wörthsee. (Bachelorarbeit 2012)
Gefahrenstelle Kuckuckstraße
Die Gefahrenstelle mit der Nennungszahl 8 zeigt die Kurve am Friedhof „Im Buchteil“. Hier queren Schulkinder die Kuckuckstraße in der wenig übersichtlichen Kurve, da nur auf einer Straßenseite ein Gehweg vorhanden ist. 8 Kinder haben diese Überquerung der Straße als „gefährlich“ eingestuft.
Roman Dittrich schreibt dazu:
„Nach der Kreuzung Kuckucksstraße/Waldstraße sind 16 Schüler auf der Kuckucksstraße auf dem Weg zur Schule. Auf Höhe des Friedhofs „Im Buchteil“ haben sie die Möglichkeit in einen Feldweg einzubiegen. Jedoch muss dafür die Straßenseite gewechselt werden, da nur einseitig ein Fußweg vorhanden ist. Acht Befragten ist das Risiko zu hoch, weshalb lediglich drei Kinder diesen Weg benutzen (siehe Karte 3 und Anlage XXI). Aber auch für die anderen 13 steht eine Straßenüberquerung an. Sie müssen an der Einmündung der Kuckucksstraße in die Etterschlager Straße auf die gegenüberliegende Seite. Von elf Umfrageteilnehmern wird diese Querung als gefährlich eingeschätzt. Vorherrschende Begründung ist, wie an vielen Kreuzungen, schlechte Sichtverhältnisse (siehe Anlage XXII). Die letzte und von 21 Befragten als risikoreich empfundene Straßenüberquerung steht insgesamt 22 Schülern an der Etterschlager Straße bevor. Hier hilft ihnen zwar eine Mittelinsel, allerdings werden wiederum sehr hohe Geschwindigkeit, mangelnde Haltebereitschaft und zusätzlich Unübersichtlichkeit als Gefahrenpunkte erwähnt.“
Als durchaus problematisch für das üblicherweise gefahrene Tempo schätzt der Autor die zum Teil nur geringe Bebauung der Kuckuckstraße ein. „Gerade die Straßenabschnitte, in welchen wenig bis keine seitliche Bebauung vorherrscht (z. B. Etterschlager Straße vom Sportgelände bis Einfahrt Waldfriedhof, Kuckucksstraße), lassen Autofahrer häufig vergessen, dass sie sich in einer geschlossenen Ortschaft befinden.“
Die Auskünfte der Schüler haben nichts an Gültigkeit verloren. Bis auf die Installation der Fußgängerampel an der Etterschlager Straße, Einmündung Kuckuckstraße, ist bislang nichts verändert worden. Die neue Ampel ist zunächst provisorisch aufgestellt. Auch nach diesen Umfrageergebnissen spricht viel dafür, dass sie bleiben sollte, allein, um den Schulkindern ihren Weg sicherer zu machen. Denn der Verkehr ist in den vergangenen 10 Jahren angestiegen.
Gefahrenstelle Seestraße / Dorfstraße / Pizzakreuzung
Im Bereich Steinebach hat die Schülerbefragung sehr viele Nennungen von Gefahrenstellen erbracht. Besonders hervorstechend ist die Pizzakreuzung mit 30 Nennungen. Auch zum Bereich Seestraße hat die Befragung der Schüler aufschlussreiche Einsichten erbracht:
„Die gleichen Schwierigkeiten sehen 15 Befragte auch beim Überqueren der Etterschlager Straße auf Höhe der St. Martin – Kirche und vier weitere bei der Überquerung der Seestraße (siehe Anlagen XIII und XIV). Der Schulweg führt im Gesamten 16 Kinder aus dem süd-östlichen Steinebach über diese beiden Straßen. Die Überquerung der Seestraße ist dabei überhaupt erst notwendig, weil im Verlauf der Etterschlager Straße kein Gehweg vorhanden ist (vgl. 3.2). Die meistbenutzte (29 Kinder) und am häufigsten genannte Stelle (28-mal) folgt kurz darauf – die (erneute) Überquerung der Seestraße zwischen dem Autoservice Wörthsee und dem Steinebacher Pizzaservice an der sogenannten Pizzaservice-Kreuzung. Die benannten Schwierigkeiten sind hier am vielfältigsten. Neben den bekannten Problemen kommen hier noch parkende Fahrzeuge und eine bei Kindern für Verwirrung sorgende Verkehrsregelung hinzu (siehe Anlage XV).“
Der Autor kommt zum Schluss, dass in der Seestraße notwendig sei, „zu erreichen, dass die Autofahrer ihre Geschwindigkeit reduzieren und querungswillige Schüler bereitwilliger über die Straße lassen.“ „Eine Maßnahme, die unabhängig vom Bau von Querungshilfen ist, aber dennoch hilfreich sein kann, ist die Reduzierung der Höchstgeschwindigkeit auf der Seestraße von der Kreuzung Pizzaservice bis zur Kreuzung mit der Dorfstraße von 50 km/h auf 30 km/h.“
Tempo 30 ist hier der richtige Schritt. Nach dem Studium der Bachelorarbeit fragt man sich, was eigentlich nötig ist, damit die Verwaltung und der Gemeinderat endlich ihren Handlungsspielraum nutzen und die Gefahrenpunkte entschärfen.
Urteil des VGH Baden Württemberg
Ein Urteil des VGH Baden Württemberg vom 25. März 2024 stellt folgende Leitsätze für die Anordnung von Tempo 30 an Schulwegen auf:
1. Die Beschränkung der zulässigen Geschwindigkeit auf 30 km/h für einen Streckenabschnitt, den Grundschulkinder als Schulweg benutzen, setzt im Hinblick auf das Erfordernis einer qualifizierten Gefahrenlage in § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO (juris: StVO 2013) nicht voraus, dass es dort bereits zu Unfällen (mit Personenschaden) gekommen ist.(Rn.15)
2. Eine das allgemeine Risiko deutlich übersteigende Wahrscheinlichkeit einer Rechtsgutbeeinträchtigung im Sinne des § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO (juris: StVO 2013) kann auch dann gegeben sein, wenn die Straßenquerung wegen der Unübersichtlichkeit und beschränkten Einsehbarkeit eines Straßenabschnitts sowie des dort zu Tage getretenen Geschwindigkeitsniveaus des Kraftfahrzeugverkehrs für Grundschulkinder besonders schwierig ist. (Rn.17)
Vergleichen wir die Aussagen der Schüler mit diesen Rechtsgrundsätzen, ist eine Anordnung von Tempo 30 an den beschriebenen und in den beiden Anträgen angesprochenen Gefahrenstellen gerechtfertigt und rechtssicher, um nicht zu sagen: zwingend erforderlich.
Das Gericht hat es für ausreichend angesehen, dass eine Straßenquerung unübersichtlich, schlecht einsehbar und das allgemeine Geschwindigkeitsniveau hoch ist, um eine qualifizierte Gefahrenlage zu begründen. Damit ist die Voraussetzung für die Anordnung von Tempo 30 übrigens auch auf der Etterschlager Straße gegeben.
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