Den richtigen Maßstab für Wörthsee finden

Den richtigen Maßstab für Wörthsee finden

Wie verlief die Vorgeschichte des Supermarkt Projekts? Wir dokumentieren hier als Beispiel die Ergebnisse des Architektenwettbewerbs von 2019 für die WOGENO Siedlung am Teilsrain. Der SZ Artikel von Astrid Becker im Februar 2019 zeigt architektonische Probleme auf, die ein „maßstäblicher“ Entwurf neuer Gebäude mit sich bringt. Eine durchdachte und sensible Planung für die Geossenschaftswohnung wird Makulatur wenn nebenan ein 66 mal 22 Meter großer Vollsortimenter gebaut wird. Groß und brutal in den Waldhang geklotzt.

Die Herausforderung für Wörthsee: „maßvolle bauliche Weiterentwicklung unter Berücksichtigung des Naturraums und der Schutzgebiete“.

ISEK, Gemeinde Wörthsee
Teilsrain Architekur-Studentinnen

Dorfladen als Treff: Bianca Woisetschläger (li.) und Lena Jaeger, beide kurz vor dem Masterabschluss, haben in ihren Entwurf den Dorfladen miteinbezogen – für sie ein wichtiger Punkt im Gemeinschaftsleben. Inspirieren ließen sie sich von den Bauernhöfen, die es auf dem Land gibt. Ihre Baukörper sollen quasi an „zwei bis drei Vierseithöfe“ erinnern, die ja auch Platz in den Dörfern für mehrere Generationen boten. Für ihr Empfinden stellen sie auf diese Art den Bezug zum vorhandenen Bebauungstand dar: „Da aber den richtigen Maßstab zu finden, war die größte Herausforderung.“ Foto: SZ

„Die Integration eines großflächigen Einzelhandelsbetriebes in die Quartiersentwicklung stellt hinsichtlich der Flächeninanspruchnahme, Kubatur und der Erschließung keine ganz einfache Aufgabe dar. Insbesondere die Bereitstellung der für den Betrieb eines Vollsortimenters notwendigen Stellplatzanlagen nimmt viel Fläche in Anspruch.“

ISEK, Gemeinde Wörthsee

„Standardisierte Produkte wandern in die Online-Welt ab“

Karen Ferdinand, KPMG 2014

Wir zitieren die SZ vom 13. Februar 2019

„Genossenschaftsmodell:Chance für junge Familien“

„Studenten stellen ihre Entwürfe vor, wie das Gebiet am Teilsrain in Wörthsee bebaut werden könnte. Sie legen Wert auf offene Plätze, so dass sich die Bewohner begegnen können. Schwierig ist indes die Verkehrsanbindung.“

(….) „Fast ein Jahr lang hatten sich 20 Gruppen in unterschiedlichen Semestern mit der Frage beschäftigt, wie die Idee „Gemeinsam auf dem Land“ verwirklicht werden könnte. Zehn Modelle hatten die Studenten mitgebracht – und eines wurde dabei klar: Einfach ist dieses Projekt auf dem vorgesehenen Grundstück nicht zu verwirklichen.“

(…) „Etwas leichter fiel es den Studenten offenbar, wie Gemeinschaftssinn zu erreichen ist: Indem sie bei ihren Planungen nicht von den Baukörpern ausgingen, wie sonst üblich, sondern die Freiflächen im Fokus hatten. Einzelne Höfe und Plätze schufen sie in ihren Entwürfen, Orte also, an denen sich die Bewohner automatisch begegnen – oder auch gewollt. Ein Modell zum Beispiel sieht ein Kulturzentrum auf einem der Plätze vor, ein anderer integrierte den Dorfladen und wieder ein anderer sogar den einstigen und leer stehenden Tengelmann.

Eines ist allen gemein: Sie sehen zwei- bis dreigeschossige Baukörper in Holzbauweise vor. (…) Bei Bürgermeisterin Christl Muggenthal, dem Gemeinderat und auch der Wogeno kommt dies an: „Das deckt sich absolut mit unseren Vorstellungen.“

Soweit die SZ 2019.

Wie die schönen Entwürfe für Wohnungen am Teilsrain mit dem Vollsortimenter weggewischt werden

Wir fragen: was ist davon übrig? Was deckt sich heute mit den „Vorstellungen“ der Bürgermeisterin und des Gemeinderats. Aus Holz muss es offenbar sein. Aber: Den richtigen Maßstab finden in Form eines gelungenen baulichen Zitats der dörflichen Vergangenheit, übrigens ein Ziel der ISEK Planer? In Bezug auf Gemeindegröße und vorhandene Bebauung? Sozialraum-Funktionen entwickeln? Ein Begegnungs- und Kulturzentrum? Neue Gebäude in der angemessenen „Kubatur“ oder Baukörperform erstellen?

Begegnung reduziert auf den Einkaufswagen?

Mit solchen Funktionen wird jetzt der Vollsortimenter assoziiert. Damit ist ein Supermarkt jedoch schlicht „überfordert“. Könnte überhaupt noch nebenan ein dem Vierseithöfen nachempfundenes Zentrum mit kleinem Laden und Kulturtreff städtebaulichen Sinn stiften? Das ist für mich nicht vorstellbar. Wird der Supermarkt gebaut, sind die interessanten Enwürfe der Studentinnen Makulatur. Den richtigen Maßstab hat ein 66 mal 22 großer und fast 12 Meter hoher Baukörper im ländlichen Raum nicht.

Die „Gilchingisierung“?

Nun kann man sagen, Wörthsee wird keine ruhige, ländliche Gemeinde im S-Bahnbereich mehr bleiben. Wir wollen jetzt richtig wachsen. Von der Metropolregion München profitieren. Sozial durchmischen. Dafür brauchen wir moderne, billige Versorger. Große Baukörper mit zeitgemäßem Look. Aber ist ein 66 Meter Bau mit 50 oberirdischen PKW Parkplätzen für 1200 Kunden am Tag oder 100 bis 150 Kunden pro Stunde also ca. 40-60 gleichzeitig, die 10 bis 20 Minuten lang dort Waren kaufen, tatsächlich das, was eine identitätsstiftende, lebenswerte „Mitte“ in die Gemeinde bringt?

ISEK druckst herum – jetzt ist der Schaden da.

Die ISEK Planung Kapitel „Stärkung der Nahversorgung“ greift das Thema „Vollsortimenter“ auf und diskutiert auf S. 107f. mögliche Planungsansätze. Am liebsten hätten die Planer den ungeliebten Markt unter die Erde verlegt. Zu einer klaren Empfehlung für ein alternatives Modell kleiner Nahversorgungsgeschäfte haben sie sich nicht durchringen können – u.a. weil der Gemeinderat den zweiten Vollsortimenter trotz aller Bedenken unbedingt haben wollte. Mehr dazu unter „Ein Supermarkt als Ortsmitte?“

Den richtigen Maßstab für Wörthsee finden2021-03-05T11:34:36+01:00

Flächenversiegelung – Natürlich auch in Wörthsee!

Flächenversiegelung – Natürlich auch in Wörthsee!

Das Bauvorhaben des 2. Supermarkts in Wörthsee führt auch zu weiterer Flächenversiegelung. Hierzu haben wir in der „heute Show“ vom 12. Februar den passenden Sketch gefunden. Jedes Jahr versiegeln wir in Deutschland eine Fläche von der Größe der Stadt Hannover. Kann das immer weiter gehen? Denken Sie mal darüber nach.
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Stimmen Sie beim Bürgerentscheid gegen Flächenversiegelung für den 2. Vollsortimenter. Stimmen Sie für das Bürgerbehren!

Gefunden von S. Bleek

Flächenversiegelung – Natürlich auch in Wörthsee!2021-05-30T21:14:05+02:00

Presseerklärung BUND Wörthsee zum geplanten Vollsortimenter

Presseerklärung des BUND Wörthsee zum 2. Vollsortimenter

Zum Projekt des zweiten Vollsortimenter-Supermarkts hat der BUND Wörthsee Stellung bezogen. Die Presseerklärung ging am 26.2.2021 an die Medien.

Bilder zum Thema

Ortsgruppe Wörthsee des
Bund Naturschutz in Bayern e. V.

Presseerklärung zum Bürgerentscheid über Lebensmittelvollsortimenter

Sehr geehrte Damen und Herren,
anbei erhalten Sie unsere Presseerklärung mit der Bitte, diese zu veröffentlichen.

Bund Naturschutz Wörthsee sagt „Nein“ zum geplanten Supermarkt

Am 21. März wird in Wörthsee per Bürgerentscheid über den von der Gemeinde geplanten Nahversorger „Am Teilsrain“ entschieden. Der Bund Naturschutz (BN) lehnt das in der jetzigen Planung vorliegende Bauvorhaben ab.
Erstens wird dadurch erheblich in den Naturhaushalt eingegriffen, der nicht ausgeglichen werden kann. Zweitens verursacht der Supermarkt erhebliche Verkehrs-und Lärmbelastungen. Und drittens setzt die Gemeinde damit falsche Signale nicht nur in Sachen Klimaschutz und Landverbrauch, sondern blockiert auf lange Sicht auch mögliche alternative und ganzheitliche Ansätze des Lebensmittelhandels.

Der BN weiß, dass die Gemeinde Leistungen der Daseinsvorsorge gewährleisten muss. Es ist aber nicht nachvollziehbar, warum in nur 1,2 km Entfernung zum bestehenden Edeka ein zweiter, großer Nahversorger gebaut werden muss.

Flora und Fauna werden geopfert

Etwa 2000 m2 Buchenwald in seiner optimalen Wachstumsphase mit einem überdurchschnittlichen Wert für den Klimaschutz werden dem Bauvorhaben geopfert. Das noch bestehende Waldareal ist wenig anfällig für die negativen Auswirkungen des Klimawandels. Seine hohe CO2-Bindung kann durch Ersatzaufforstung erst in 30 – 50 Jahren erreicht werden. Wird der Supermarkt gebaut, wird die schützende Waldrandstruktur weitgehend zerstört und es verbleibt nur eine schmale Restfläche. Um sie überhaupt erhalten zu können, werden umfängliche Pflege- und Fördermaßnahmen erforderlich, deren Erfolg fraglich ist.

Nachgewiesenermaßen finden sich im jetzigen Buchenwald 10 verschiedene Fledermausarten, dazu Springfrosch, Kammmolch, Laubfrosch und viele Vogelarten, wie der Kuckuck und die gefährdete Rauchschwalbe.
Die Bodenvegetation ist äußerst vielseitig. Mit dem Waldvögelein ist sogar eine Orchideenart vorhanden, die zu den „besonders geschützten Arten“ gehört.

Verkehrs- und Lärmbelastung stressen Mensch und Natur

Gemäß Verkehrsgutachten werden an jedem Werktag bis zu 1286 KFZ-Fahrten inkl. etwa 15 Lkw-Fahrten stattfinden. Damit ist eine erhebliche Abgas-und Lärmbelästigung für die Anwohner zu befürchten.
In den Anlagen zum Bebauungsplan wird behauptet, dass durch den neuen Supermarkt sogar eine auf das Gemeindegebiet bezogene Verringerung des Verkehrs erfolge und so das Klima geschützt werde. Begründet wird dies damit, dass „ein Teil der Einkäufe zu Fuß oder mit dem Rad getätigt wird bzw. selbst bei Benutzung des PKW nur kurze Wege entstehen“.

Diese Aspekte treffen nach unserer Auffassung bestenfalls nur auf das unmittelbare lokale Umfeld zu. Die Argumente sind für den BN nicht nachvollziehbar.

Schleichende Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen

Jeden Tag wird in Bayern eine Fläche von etwa 10,8 Hektar verbraucht. Die Bayerische Staatsregierung hat bisher keine verbindlichen Zielwerte im Sinne der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie formuliert, die auch die Gemeinden in die Pflicht nehmen.
Und so reden alle davon, aber niemand setzt diesem Flächenfraß etwas entgegen.

Das Bauvorhaben weist einen sehr hohen Versiegelungsgrad auf, die natürlichen Bodenfunktionen werden großflächig zerstört.
Fläche ist eine endliche Ressource, mit der sparsam umgegangen werden muss, um die Lebensgrundlagen zu erhalten. Gerade deshalb hätte in Wörthsee eine intensive und transparente Diskussion der Gemeinde mit den Bürger*innen über Notwendigkeit, Ausmaß und Folgen des angestrebten Vollsortimenters stattfinden müssen. Leider ist sie unterblieben.

Marktmacht der Einzelhandelsketten soll nicht unnötig gestärkt werden:

Edeka, Aldi, Lidl, Rewe – nur ein paar große Einzelhandelsketten dominieren heute den Lebensmittelmarkt. Kleine Läden verschwinden. Trotzdem interessieren sich immer mehr Menschen für Klima, Nachhaltigkeit, Tierwohl und Ernährung. Sie wenden sich gegen den Verpackungsmüll, hinterfragen die Herkunft von Lebensmitteln und fordern bessere Bedingungen für die Produzenten. Vor allem geht auch die Jugend für ihre Zukunft auf die Straße.

Diese positive Entwicklung gilt es zu fördern. Sie kann auch einen Beitrag leisten, die Abhängigkeit der Bauern von den mächtigen Einzelhandelsketten mit ihrem Preisdruck zu verringern, so dass sie mit umweltschonenden Methoden und einer direkteren Vermarktung Geld verdienen können. Das wäre ein enormer Gewinn für Mensch und Natur.

Ein zweiter Nahversorger ist vor diesem Hintergrund eine falsche Weichenstellung.

Wörthsee sollte als Gemeinde, die den Klimanotstand ausgerufen hat, eine Signalwirkung für ein nachhaltiges Leben aussenden und eine Vorbildfunktion für kommende Generationen erfüllen. Denn so lange wirkt die Entscheidung bei Realisierung des Bauvorhabens nach. Wir können nicht in einer kritischen Haltung verharren, die uns zu nichts verpflichtet. Wir müssen handeln.

Für die Ortsgruppe Wörthsee Talal Al-Kass

Presseerklärung BUND Wörthsee zum geplanten Vollsortimenter2021-03-28T15:04:02+02:00

Warum ein Vollsortimenter kein Gewinn ist – im Gegenteil

Warum ein Vollsortimenter kein Gewinn ist

Gastbeitrag:

Richard Bartels, Leiter Slow Food Fünfseenland, hat für uns einige Gedanken zum „Vollsortimenter“ aufgeschrieben. Slow Food ist eine weltweite Bewegung, die sich für ein sozial und ökologisch verantwortungsvolles Lebensmittelsystem einsetzt, welches die biokulturelle Vielfalt und das Tierwohl schützt. International ist der Verein in 170 Ländern mit diversen Projekten, Kampagnen und Veranstaltungen aktiv.
Nina Wolff - Slowfood

Nina Wolff – Vorsitzende von Slowfood. Foto: Slowfood

Gaertnerei Osterholz Walchstadt

Schon lange vor der Corona Pandemie begann heimlich und leise eine Entwicklung, die auch in Bayern von der staatstragenden Partei unterstützt und gefördert wurde.

Einfach nur ein Geschäft zur Versorgung mit Lebensmitteln, wie uncool ist das denn! Gemüse und sonstige Produkte des täglichen Bedarfs – wie langweilig.

„Wenn ich schon die Strapazen des Einkaufens auf mich nehme, dann aber nur, wenn ich gleichzeitig WC-Reiniger, Badvorleger, ne` Bohrmaschine, ne` Schubkarre, `nen Computer oder eine Bandsäge kaufen kann. Gelegentlich dann natürlich auch Farbe, Schreibwaren, ne Reise oder ein Auto. Alles was man halt gerne so spontan mitnimmt. So wird Einkaufen zum Vergnügen. Achtung aber: Lebensmittel nicht vergessen!

Ist ja so einfach für einen Vollsortimenter : Die Verkaufsfläche ist da für Lebensmittel, da stellt man dann halt einfach die Gänge mit Krempel voll, so dass fast kein Durchkommen mehr ist. Corona hin oder her, ein wenig Intimität darf`s schon sein beim Einkaufen. Und das schöne, die Miete für den Laden ist ja schon bezahlt, alles weitere bringt noch mehr Profit.

Klingt logisch und gut, ist es aber nicht.

Wer auf der Strecke bleibt

Hat sich schon mal jemand gefragt, auf welche Kosten das Vollsortiment angeboten wird? Was ist mit dem Schreibwarenladen vor Ort, dem Haushaltswarengeschäft, dem Kurzwarengeschäft, dem Schuhgeschäft, dem Bekleidungsfachgeschäft, dem Eisenwarengeschäft und vielen anderen die Qualität und Fachberatung anbieten (im Preis ebenso inbegriffen wie eine nette Begrüßung).

Egal, wozu brauchen wir belebte Ortskerne und Innenstädte? Der Vollsortimenter hat ja alles und was er nicht hat, besorgt der Online Handel.

Kein Gesicht mehr hinter den Produkten, egal ob Lebensmittel oder sonstiges. Beratung wozu. Was nicht taugt wird zurückgebracht oder -geschickt. Kostet ja nichts. So wird dann neben der kulinarischen Monokultur immer mehr eine Produktmonotonie gefördert.

Leerstände aller Orten, Fachverkäufer ohne Arbeit, tote Städte und Gemeinden. Wollen wir das alles in Kauf nehmen, indem wir unser Geld einem Vollsortimenter in den Rachen werfen? Ich meine Nein! Auch die Politik sollte erkennen, dass das System der Vollsortimenter in eine Sackgasse führt, indem es die wesentlichen Faktoren eines Einkaufserlebnisses wie Kommunikation, Beratung und zuverlässige Qualität zu Grunde richtet. Ein Lebensmittelgeschäft muss bleiben was es ist: Ein Ort für gute, saubere und fair erzeugte Lebensmittel. Dafür muss ein Geschäft mindesten 80% seiner Verkaufsfläche nutzen. Nicht umgekehrt für irgendwelchen Wegwerfschund. Gerade letzteres wird uns auch die Umwelt danken.

Richard Bartels, Slowfood Herrsching

Slow Food

Slow Food wirbt für den Kauf bei mittelständischen Anbietern in der Region. Bild: Mit freundlicher Genehmigung von Slow Food.

Warum ein Vollsortimenter kein Gewinn ist – im Gegenteil2021-03-02T10:53:14+01:00

Gelebte Demokratie – Bürgerbeteiligung ernst genommen?

Gelebte Demokratie – Bürgerbeteiligung ernst genommen?

Zum Ablauf der Planung und zur Bürgerbeteiligung hat die Süddeutsche Zeitung einen Leserbrief veröffentlicht. Gemeinde und Gemeinderat haben die Beteiligung der Bürger in der Entscheidungsphase des Projekts klein geschrieben. Der Bürgerentscheid ist gelebte Demokratie.
Verzahnung Grünraum Kuckuckswald

ISEK vom Mai 2019. Der Standort für einen Vollsortimenter wurde zurückhaltend bewertet. Eine Planungsalternative auch ohne „Vollsortimenter“ empfohlen.

„Alle relevanten Unterlagen mit den vollständigen und verbindlichen Gutachten lagen dann erst zur zweiten und letzten Auslegung ab dem 19.11.2020 vor.
Es ist vom Gesetzgeber im Baugesetzbuch explizit vorgesehen, dass ab diesem Zeitpunkt erneut Einwendungen schriftlich bei der Gemeinde eingereicht werden können und auch die „Träger öffentlicher Belange“ erneut hinzugezogen werden. Dies deshalb, weil sich Alle eben erst ab diesem Zeitpunkt über die Konsequenzen des Bauvorhabens abschließend und verbindlich informieren können.“
Ein Architekt
Bürgerbeteiligung-Leitfaden

Freundliche Bürger und entspannte Planer. Wird Bürgerbeteiligung in Wörthsee ernst genommen? Titelbild des Leitfadens der bayerischen Staatsregierung.

Gelebte Demokratie – Was wußten die Bürger?

Bei der Präsentation des Integrierten Städtebaulichen Entwicklungskonzepts (Isek) am 11. Mai 2019 sind nicht, wie behauptet, erste Pläne für einen neuen Nahversorger in Wörthsee vorgestellt worden. Diese wurden erst am 15. Juli 2019 von Investor Dr. Max von Bredow und Architekt Prof. Hermann Kaufmann von der TU München in einer öffentlichen Gemeinderatsitzung präsentiert. Die zahlreich eingereichten kritischen Stellungnahmen zur ersten Auslegung des Bebauungsplans Nr. 76 „Sondergebiet Lebensmittelvollsortimenter und Wohnen nördlich zum Kuckucksheim“ wurden ohne Wenn und Aber am 14. Oktober 2020 durch den Gemeinderat vom Ratstisch gewischt. Es war die erste Möglichkeit, innerhalb der so genannten „Öffentlichkeitsbeteiligung“ seine Einwände zum Bebauungsplan Vollsortimenter schriftlich zu formulieren. Der „jetzt späte Widerstand“ in Form eines Bürgerentscheides durch Teile der Bevölkerung ist die Folge davon und durchaus verständlich.

Beteiligung der Öffentlichkeit?

Ja, der in Wörthsee auf den Weg gebrachte Bürgerentscheid ist gelebte Demokratie. Eine möglichst transparente und frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit, wie in der Gemeinde Berg praktiziert, wäre auch in Wörthsee für alle Beteiligten mit Sicherheit zielführender gewesen. Denn dadurch wird erreicht, dass bei anstehenden Projekten die Bürgerinnen und Bürger frühzeitig einbezogen werden und sie die langfristige Entwicklung der Gemeinde aktiv mitgestalten können. Im besten Fall wird dadurch auch noch die Verwaltung entlastet. Die Gemeinde Wörthsee hat es versäumt, diesen auch im Internet veröffentlichten Leitfaden „Bürgerbeteiligung im Städtebau“ empfohlenen Weg zu beschreiten. Warum

Ein städtebauliches Großprojekt wie das Areal am Teilsrain so zu vermitteln, dass die Bürger*innen rechtzeitig die Komplexität nachvollziehen und gleichzeitig ihre Ideen, Anliegen und auch Bedenken dazu äußern können, wäre zwingend notwendig gewesen. Schließlich sind sie es, die hier leben und daher verständlicherweise ihren Ort mitgestalten wollen. Gerade die Nahversorgung ist ein Thema, bei dem Mitsprache und ein gewisses Maß an Gestaltungsspielraum zwingend notwendig gewesen wären. Scheibchenweise Information zu verteilen ist keine Bürgerbeteiligung. Aus Sicht der Gemeinde mögen die veröffentlichten Informationen seit langem alle logisch und zusammenhängend erscheinen. „Das Gesamtkonzept“, von dem jetzt gesprochen wird, ist aber bei vielen Bürger*innen Wörthsees bis vor kurzem nicht angekommen. Die Größe des Supermarktes und dessen Auswirkungen für Mensch und Natur erst recht nicht.

Die Projektzeitung „Leben am Teilsrain“ der Gemeinde ist die Antwort auf das Bürgerbegehren und Werbung für das eigene Ratsbegehren. Sie kommt zu spät. Gestaltungspielraum für die Bürger*innen gibt es damit nicht mehr, sie haben nur noch die Wahl.

Warum werden Vollsortimenter und Wohnungen verknüpft?

Das Ratsbegehren wirft durch die Verknüpfung des Supermarktes mit der genossenschaftlichen Wohnbebauung viele Fragen auf. Diese Koppelung ist neu und im Isek (siehe Gemeinderatsbeschluss vom 24. Juli 2019) wird auf Seite 107 sogar angeraten: Sollte das Projekt „Nahversorger“ im Areal am Teilsrain scheitern, ist der Gemeinde Wörthsee zu empfehlen, die weiteren Planvorhaben genossenschaftlicher Wohnungsbau und Seniorenzentrum deshalb nicht in Frage zu stellen. Warum hält sich der Gemeinderat nicht an diese Empfehlung?

Ulrike Huch, Wörthsee

Gelebte Demokratie – Bürgerbeteiligung ernst genommen?2021-03-28T15:04:28+02:00

Die Grünen unterstützen das Bürgerbegehren

DIE GRÜNEN für das Bürgerbegehren

Der Ortsverband von BÜNDNIS 90 – DIE GRÜNEN in Wörthsee ruft alle Bürger auf, sich für das Bürgerbegehren auszusprechen. In der Pressemitteilung nennen die Grünen ihre Gründe. Sie wenden sich auch gegen die undemokratische Verknüpfung eines großen Supermarkts mit dem Wohnungsbau durch das „Ratsbegehren“.
Grüne Wörthsee sind für das Bürgerbegehren

Die Grünen unterstützen das Bürgerbegehren2021-03-28T15:04:38+02:00

Ein Vollsortimenter-Supermarkt als Ortsmitte?

Ein Supermarkt als Ortsmitte?

Ein Vollsortimenter-Supermarkt als neue Ortsmitte? In einer Nebenstraße im Kuckuckswald in Wörthsee?  Das wirft Fragen auf. Wie durchdacht ist dieses Projekt?
Karte der Gemeinde Wörthsee. Quelle: Bayernatlas

Die Gemeinde Wörthsee ist sehr lang gestreckt, locker bebaut und ohne gemeinsames Zentrum der Ortsteile. Quelle: Bayernatlas

Einzugsbereich der Supermärkte

Ein Kilometer Radius um den bestehenden (blau) und den geplanten (rot) Supermarkt. Ein Drittel der Nah-Kundschaft überlappt. Quelle: Bayernatlas, Bearbeitung SB.

Vor dem Gewitter

155 Regentage zählt Wörthsee im Jahr. Regen, Schnee, Glatteis oder große Hitze sind gute Gründe, nicht zu Fuß zum Einkaufen zu gehen. Foto: D Bleek

Zum Standort Kuckucksstraße

Schafft ein, zwei, viele Zentren!

Das „Problem“ bei allen neuen Planungsansätzen in Wörthsee ist die Zusammensetzung der Gemeinde aus 5 (bzw. 7) Teilgemeinden, die eine schmale, langgestreckte Siedlung bilden, die keine Ortsmitte hat. Die Gemeinde hat sich vorgenommen, am Teilsrain nachzubessern und hier ein neues Zentrum entstehen zu lassen. Gleichzeitig plant die Gemeinde jedoch in Steinebach am Kirchenwirt ein weiteres Ortszentrum. Ist das sinnvoll? Das von der Gemeinde erbetene Gutachten „Feinstudie am Teilsrain“ bleibt skeptisch: „Eine wesentliche (offene) Frage ist auch die Gestaltung und Gewichtung eines möglichen Kernbereichs oder sogar Ortszentrums “Am Teilsrain“ und der Einfluss auf vorhandene bzw. neu entstehende Kernbereiche innerhalb des Gemeindegebiets, wie bspw. das Areal „Am Kirchenwirt“ im Altort Steinebach.“

Ein Supermarkt als Zentrumsbilder?

Um dem Areal am Teilsrain „Zentrumsqualität“ zu verleihen, setzt der Gemeinderat auf den „Nahversorger“. Dem Supermarkt wird damit eine hohe soziale Qualität zugesprochen. Jedem, der einen Supermarktbetrieb kennt, mag das fragwürdig erscheinen. Praxis ist doch: Mit dem Auto zum Parkplatz, mit dem rasselnden Wagen durch den Markt, Zahlen und wieder raus, Einkauf rein ins Auto und weg. Ein Supermarkt mit Backshop als sozialer Ort für‘s Schwätzchen, zum Innehalten, zur Begegnung? Das wirkt doch sehr realitätsfern. Ein neues Ortszentrum entsteht so nicht.

Was ist ein Nahversorger oder wird es weniger Autorverkehr geben?

Was ist ein Nahversorger? „Unter dem Begriff Nahversorgung wird allgemein die fußläufige Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen des täglichen Bedarfs verstanden. Dabei werden zehn Gehminuten oder ca. 1.000 Meter als Zielwert in der Literatur und in kommunalen Nahversorgungskonzepten angesehen.“(Studie: Bundesumweltministerium, Sicherung der Nahversorgung in ländlichen Räumen. Impulse für die Praxis) Man meint also Einkaufen zu Fuß.

Zu Fuß erreichbar?

Was ist in Wörthsee vom Argument „fußläufig erreichbar“ zu halten? Zweifellos ist der neue Standort unter diesem Aspekt auf den ersten Blick etwas besser, als der bestehende Marktstandort Günl Waldbrunn. Wegen des sehr zerfaserten Dorfs aus 7 Ortsteilen sind jedoch an jedem denkbaren Standort jeweils nur relativ wenige Bürger im Einzugsbereich von einem Kilometer vorhanden, viel zu wenige, als zur Rechtfertigung eines weiteren Marktes in nur einem Kilometer Abstand voneinander plausibel wären. Hinzu kommen weitere negative Fakten. In der Stude „Nahversorgung in Bayern“ des Bayerischen Wirtschaftsministeriums heißt es zum Beispiel klipp und klar: „Das Kriterium „Distanz“ stellt lediglich eine erste Orientierung zur Bewertung der Nahversorgungssituation dar. (…) Ob Kunden mögliche Fußwege im Rahmen ihres Einkaufs zurücklegen ist von vielen Faktoren abhängig (…) Topographie, leichte Anstiege stellen i.d.R. bereits ein K.O. Kriterium dar“.

Gelände ist K.O. Kriterium

Für Wörthsee stellt sich die Situation am Teilsrain leider genau so dar: die Topographie im 1-Km-Radius ist bergig, also extrem ungünstig (=K.O. Kriterium). Der Höhenunterschied zwischen geplantem Standort und See beträgt 34 Meter. Fußwege oder Radwege fehlen. Der Gutachter der Feinstudie „Am Teilsrain“ schreibt auf S. 29: „Der erhöhte Flächenverbrauch und das zu erwartende Verkehrsaufkommen innerhalb des Gebiets durch einen Nahversorger mit ca. 1200m2 Verkaufsfläche stehen einer ruhigen Wohnnutzung gegenüber.“

55 Parkplätze – 1000 Autos am Tag?

55 Parkplätze sind am neuen Supermarkt geplant. Die Bürger werden weiter das Auto zum Einkaufen benutzen und das CIMA Gutachten schreibt dazu: „Durch die Lage in unmittelbarer Nähe zur Hauptverkehrsachse Etterschlager Straße stellt sich die Erreichbarkeit des Projektstandorts für Pkw-Kunden als gut dar, wenngleich sich die direkte Anfahrbarkeit des Edeka Günl an der Hauptverkehrsachse besser darstellt. „CIMA Gutachten“ S.21.
Unterstellt wird hier für beide Märkte selbstverständlich, dass das Gros der Kunden das Auto nutzen wird. Die Idee eines großen Anteils an Fußgängerkunden am Teilsrain ist nicht plausibel.

Wußte das Niemand?

Die Gemeinde hat tatsächlich lange und intensiv planen lassen. In der „Feinstudie am Teilsrain“ von 2018 stellt der Gutachter an verschiedenen Stellen die Nachteile des Konzepts fest. Auf Seite 38 listet er die Nachteile des Standorts so auf:

  • Problem Naturschutz bleibt trotz Abrücken vom Waldrand
  • Wald als nicht integrierte Restfläche
  • Zufahrt topografisch schwierig
  • separate Erschließung Wohnbebauung schwierig
  • rückwärtige Lage – intensive Werbung an der Etterschlager Straße notwendig (Pylon)
  • hoher Flächenverbrauch bei oberirdischer Parkierung
  • Verkehr im ruhigen Wohnbereich
  • weniger Fläche für Wohnbebauung
  • höhere Bebauung notwendig, Staffelung zum Bestand oder zur Natur schwierig
  • barrierefreie Verbindung Seniorenzentrum (an der Kirche geplant) / Nahversorger schwierig“

Auf Seite 43 stellt er fest:

„Die bestehende Konkurrenz vor Ort (EDEKA) bedingt für Investoren/Betreiber gewisse Grundvoraussetzungen für den Betrieb eines zweiten Supermarktes:

  • bequeme Erreichbarkeit und Nutzbarkeit (d.h. ebenerdige Parkierung) (PKW-Erreichbarkeit)
  • differenziertes Sortiment (d.h. große Verkaufsfläche) (…)

Eine kompakte, dem Standort und der Topografie angemessene Lösung mit einer Parkierung unter oder über der Verkaufsfläche wird von den bisherigen Investoren/Betreibern abgelehnt.“

Als weiterer Standortnachteil wird dann festgestellt:

„Die rückwärtige Lage an der Kuckuckstraße mit schwieriger Zufahrt (Hang) kann den dauerhaften Betrieb des Supermarkts gefährden. Diese Lage ist nur mit einer intensiven Bewerbung (beleuchteter Pylon an der Etterschlager Str.) möglich.“

Der Gutachter windet sich sichtlich, ein von ihm negativ gesehenes Konzept doch plausibel erscheinen zu lassen. Sein Fazit: Ein alternatives, seniorengerechtes Nahversorgungskonzept mit erweitertem Dorfladenangebot, ergänzt und unterstützt durch zusätzliche aktiv genutzte Angebote, könnte eine mögliche, wenn auch mit Risiken (Fortbestand) behaftete Alternative sein. Dies würde aber nicht den aktuellen Wünschen der Gemeinde nach einer umfassenden Nahversorgung entsprechen.“

Das heißt, die Gemeinde hat von vorneherein den „aktuellen Wunsch“ gehabt, hier einen Vollsortimenter-Supermarkt zu errichten. Bei den Planungs- und Begutachtungsprozessen wurde mit erheblichen Manipulation der Zahlen zur Wirtschaftlichkeit und zur Verkehrsbelastung gearbeitet, um die riesigen Nachteile des Projekts kleinzureden. Eine neue Ortsmitte wird ein Vollsortimenter-Supermarkt nicht schaffen.

Ein Vollsortimenter-Supermarkt als Ortsmitte?2021-03-28T15:05:00+02:00

Ein Beitrag zum Artensterben

Der Bau eines zweiten Vollsortimenters würde einen Beitrag zum Artensterben leisten

Auf den ersten Blick denkt man ja, an so einem Waldrand kann nicht viel los sein mit seltenen Tieren. Aber im Planungsgebiet Vollsortimenter und den direkt angrenzenden Bereichen leben heute mindestens 12 Fledermausarten, 8 Amphibienarten und 26 Vogelarten. Der Bau des Vollsortimenters in Wörthsee würde einen weiteren Beitrag zum Artensterben leisten.

Wasserfeldermaus
Rauchschwalben
Springfrosch

Durch das Bauvorhaben wird ein notwendiger Lebensraum für viele, teilweise geschützte Tierarten, unwiederbringlich zerstört.

Jagdrevier für seltene Fledermausarten

Die heimischen Fledermausarten beziehen regelmäßig Quartiere im Planungsgebiet des Supermarktes und nutzen dieses Gebiet als Jagdgebiet und Flugwegkorridor. Mit dem Bau des Vollsortimenters zerstören wir der Wasserfledermaus, dem Braunen Langohr und den anderen Fledermausarten ihren Lebensraum. Durch die Rodung der alten Buchen werden sie von ihrem angestammten Platz vertrieben. Ausgleichsflächen an anderer Stelle können das nicht ändern. Die geplante Neupflanzung von Bäumen am Ziegelstadel braucht Jahrzehnte, um den Fledermäusen als Quartier zu dienen.

Vogelarten auf der Roten Liste

Insgesamt 26 Vogelarten sind im Bereich des geplanten Vollsortimenters nachgewiesen worden. Der Gelbspötter wird in beiden Roten Listen als „gefährdet“ eingestuft. Goldammer, Kuckuck und Rauchschwalbe stehen auf mindestens einer Vorwarnliste. Die vier Steinebacher Goldammerpaare werden ihr Brutgebiet verlieren und die anderen 25 Vogelarten werden zumindest aus ihrem angestammten Nahrungsgebiet vertrieben.

Geschützte Amphibien

Bei der Artenschutzprüfung wurden die europarechtlich streng geschützten Amphibien, Springfrosch, Kammmolch und Laubfrosch und 5 weitere Amphibienarten im Planungsgebiet Vollsortimenter festgestellt. Aufgrund der dichten Streu aus Fall-Laub gibt es im Bereich „Kuckuckswald“ viele Unterschlupfmöglichkeiten für Amphibien. Zudem liegt dieser Bereich nördlich der Straße und ist somit „barrierefrei“ für Frösche an die nordwestlichen Wälder und Gewässer angebunden.

Wenn der Vollsortimenter kommt, wird dem Springfrosch und seinen Artgenossen der Lebensraum genommen und der Weg zu den Laichgewässern wird von dem riesigen Supermarkt versperrt. Die Überquerung des Parkplatzes ist für Frösche lebensgefährlich und auch durch die Baufahrzeuge ist mit Tötungen unbedingt zu rechnen

Ein Beitrag zum Artensterben

Rund eine Million Tierarten sind weltweit akut vom Aussterben bedroht, warnen WWF und Nabu (Nabu Bayern ist der Landesbund für Vogelschutz Bayern). Damit nennen sie das Artensterben neben dem Klimawandel als die größte Bedrohung für die Erde.

Wann wollen wir anfangen, etwas gegen das Artensterben zu unternehmen, wenn nicht jetzt? Wo sollen wir anfangen, wenn nicht bei uns vor Ort?

Zahlen, Daten und Fakten aus: „Geplante Ausweisung von Baugebieten östl. des Friedhofs Buchteil – Gemeinde Wörthsee Faunistische Bestandsaufnahme des Dipl. Biol. Ralph Hildenbrand vom 15.11.2016 (auf der homepage der Gemeinde Wörthsee/Amtliche Bekanntmachungen/2020/12.11./“Faunistische Bestandsaufnahme“) und der Website des WWF.

Petra Roscher, Wörthsee

Ein Beitrag zum Artensterben2021-06-05T10:54:30+02:00

Standort des 2. Vollsortimenters am Steilhang

Bereits die Topographie macht den Standort für einen 2. Vollsortimenter fragwürdig. Der Hang am Standort ist steil. Steile Zufahrten machen das Projekt untauglich für Fußgänger. Die Vorschriften für barrierefreies Bauen werden mit Müh und Not eingehalten. Um den PArkplatz in den Waldhang zu fräsen wird eine ca. 80m lange Betonstützmauer benötigt.
Lageplan_Vollsortimenter_Zufahrten

Der geplante Vollsortimenter soll in den bewaldeten Steilhang unterhalb der Kuckuckstraße platziert werden. Quelle: Schallschutzgutachten

DIN 18040-1
Text DIN-18040-1

Fußweg an der Untergrenze der Anforderungen für barrierefreies Bauen.

Planung Gehweg

Die Detailplanung: Vorgesehen auch „3 Fahnenmasten“

Der geplante zweite Vollsortimenter wird am Teilsrain mangels eines wirklich geeigneten Standorts im Gemeindegebiet an einen Steilhang platziert. Hierzu schreibt der Gutachter der städtebaulichen ISEK-Feinstudie „Am Teilsrain“:

„Die Topografie des Untersuchungsgebiets ist problematisch. Das Gebiet fällt von der Etterschlager Straße Richtung Osten um ca. 5 Meter. Die bewaldete Hangkante am südlichen Rand des Grundstücks stellt ebenfalls eine topografische Barriere dar. Der Höhenunterschied beträgt hier in Teilbereichen bis zu ca. 7 Meter.“

Die ungünstige Platzierung des geplanten Vollsortimenters am Steilhang unterhalb der Kuckucksstraße führt zu sehr steilen Zufahrten mit einem Gefälle von 7%. Im Bereich der Zufahrt Tiefgarage steigt die Neigung sogar bis 10% parallel zum Gebäude. (Quelle: Planung Terrabiota, Schallschutzgutachten S. 5 und S. 25). Das bedeutet nicht nur erhöhten Lärm durch Automotoren, sondern auch eine hohe Belastung durch die im Winter nötige Salzstreuung. Ohne mehrfaches Streuen am Tag würden diese schattigen Zufahrten an einem steilen, und (noch) bewaldeten Nordhang häufig vereisen.

Fußgänger sollen den Markt über eine Treppe erreichen

In unmittelbarer Nachbarschaft zum geplanten Vollsortimenter soll ein Seniorenzentrum entstehen. Von den Befürwortern des Projekts wird gerne argumentiert, dass die Senioren in dem geplanten Markt bequem einkaufen können. Einer der beiden Fußwege zum neuen Gebäude weist allerdings eine Treppe auf, die den Höhenunterschied von etwa 3 Metern überwindet. Klar sollen wir uns fit halten, aber als bequem fußläufig zu erreichende Einkaufsmöglichkeit, insbesondere für Senioren, kann man das nicht verkaufen. In der neuesten Planung wurde, um die Barrierefreiheit zu erreichen, ein zweiter Fußweg angelegt.

Der zweite Fußweg entspricht eben noch der Untergrenze für barrierefreies Bauen

Behinderte sollen über eine 46 Meter langgezogene Rampe mit einem Gefälle von 6% zum Markt hinunter und wieder zurück. Das Gefälle dieses Weges entspricht so eben noch der laut DIN 18040-1 maximal für barrierefreie Zugänge tolerierbaren Neigung. Bei einer Straßen-Höhen-Kote von 584,75 m ü. NN. und einer Höhenkote von 582 m ü. NN Ecke Vollsortimenter ergibt sich eine Höhendifferenz von 2,75 m – damit etwa 46 m Länge der Zuwegung bei 6 % Neigung. Die vorgeschriebenen Zwischenpodeste mit höchstens 3% Neigung werden hoffentlich nicht vergessen. Ob ein „Pflasterbereich“ der Vorschrift „leicht und erschütterungsfrei zu befahren“ entspricht? Viele Erdbewegungen und Baumfällungen werden jedenfalls notwendig, um einen ungünstigen Standort doch noch irgendwie zu ertüchtigen.

80 Meter Betonstützmauer

Der Parkplatz und die Zufahrt benötigen mindestens etwa 80 Meter Betonmauer. Sie dürfte zwischen einem Meter 50 und 2 Meter hoch 40 Zentimeter stark werden. Mit Fundament eine gewaltige Menge Beton. Von wegen ökologische Holzhütte!

Feinplan Parkplatz

Standort des 2. Vollsortimenters am Steilhang2021-03-28T15:05:15+02:00

Verkehrsbelastung durch neuen Vollsortimenter

Hohe Verkehrsbelastung kleingerechnet

Der zweite Vollsortimenter-Supermarkt soll in nur 1200 Meter Entfernung zum bestehenden großen Edeka Vollsortimenter gebaut werden. Wie steht es um die Verkehrsbelastung infolge des Projekts? Hierzu wurden die vorgeschrieben Gutachten eingeholt. Doch überraschenderweise arbeiten sie mit Basiszahlen, die weit zu niedrig sind.

Wird es hier zukünftig zu Staus kommen? Täglich + 18 LKW sowie + 1000 PKW? Das soll „verkehrsberuhigend“ wirken.

Verkehrsgutachten

Auszug Verkehrsgutachten. PKW Zahlen um 66% zu niedrig. LKW Zahlen um bis zu 112% untertrieben. Originalzahl schwarz, Korrektur in blau. Bild: Verkehrsgutachten.

„Ob Kunden mögliche Fußwege im Rahmen ihres Einkaufs zurücklegen ist von vielen Faktoren abhängig (…) Topographie, leichte Anstiege stellen i.d.R. bereits ein K.O. Kriterium dar“

Nahversorgung im ländlichen Raum, Bayerisches Wirtschaftsministerium

„Das zu erwartende Verkehrsaufkommen innerhalb des Gebiets durch einen Nahversorger mit ca. 1200m2 Verkaufsfläche stehen einer ruhigen Wohnnutzung gegenüber.“

Feingutachten Teilsrain, ISEK

„Die Altersgruppe der Senioren spielt in der Mobilität eine große Rolle. In der Folge ist eine Zunahme der PKW Nutzung bei gleichzeitiger Abnahme der fußläufig zurückgelegten Wege der Senioren festzuhalten. (…) Entgegen der landläufig oft geäußerten Vorstellung, nimmt die Mobilität mit dem Alter derzeit zu.“

PKW Szenarien bis 2030. Fakten, Trends…, Shell Studie

„…wie die meisten Discounter zwischen 4:30 und 7:30, da muss dann halt einer da sein. Ich hab mal in ’nem Supermarkt gearbeitet, Obst und Gemüse kam da um 5:30, Samstag um 4:30…“

Wann wird geliefert?, Gute Frage
Gutachten zum Verkehr mit zu niedrigen Zahlen

Wie gut rechnen die Gutachter, wenn es um die durch den neuen Vollsortimenter zu erwartende Verkehrsbelastung geht? Dazu wurden ein Verkehrs- und ein Lärmgutachten eingeholt. Im Lärmgutachten wird der zu erwartende Autoverkehr vom Gutachter angesetzt. Hierzu erwartet er, dass von 1200 Marktkunden am Tag 600 den PKW nutzen. Woher kommt diese Zahl? Dazu heißt es im Verkehrsgutachten auf Seite 6: „Nach Angaben eines potenziellen Marktbetreibers ist für die geplante Verkaufsfläche des Lebensmittelmarktes von einem kundeninduzierten Aufkommen von maximal 600 Pkw am Tag auszugehen.“

Zahlen im Gutachten vom „potentiellen Betreiber“ geliefert

Diese Zahl des „potentiellen Supermarktbetreibers“ (also des Investors?) macht der Gutachter ohne eigene Abschätzung zur Grundlage seiner Rechnungen. Ist diese Zahl von 50% Auto fahrenden Kunden realistisch? Laut Studie zur „Nahversorgung im ländlichen Raum“ des bayerischen Wirtschaftsministeriums nutzen im Durchschnitt mindestens 80% der Kunden z.B. wegen der schweren Einkaufstaschen den PKW für ihren Einkauf. Bei dem nur einen Kilometer entfernten Edeka Nahversorger sind es über 90%. Die ungünstige Topographie am geplanten Standort für den zweiten Nachversorger und die auch dort geringe Bewohnerdichte im 1 Km Radius lassen die ungünstige Zahl erwarten.

1000 PKW täglich

Also sind bei 1200 Kunden täglich nicht 600 sondern 60% mehr, also 960 PKW (=80% der Kunden) mit 2000 An- und Abfahrten realistisch. Der Gutachter unterschlägt 360 PKW oder fast 40% des zu erwartenden PKW Verkehrs.

LKW-Lieferverkehr ab 4 Uhr früh?

Auch die Zahlen zur Belieferung des Markts hat sich der Gutachter ungeprüft vom Investor geben lassen. Laut Gutachten fahren pro Tag 8 LKW-Fahrten zur Belieferung des Supermarktes 2 in den Ort hinein und wieder hinaus. Die Edeka in Walchstadt hat mit 1006 m2 inkl. Backshop eine etwa gleich große Verkaufsfläche wie der neue Markt (inkl. Shop 1040 m2). Laut Gutachten zur Lärmimmission kommt beim neuen Markt der erste Liefer-LKW nach 6 Uhr morgens. Das hat Gründe. Nach 6 Uhr gelten weniger strenge Schallschutzanforderungen. Er spricht von „Vereinzelten Anlieferungen zwischen 6:00 und 7:00“ (S. 15). Bei der Edeka Waldbrunn kommt der erste LKW jedoch bereits um 4 Uhr früh. Und die meisten Anlieferung geschehen vor 7 Uhr, damit bis zur Öffnung um 8 Uhr eingeräumt werden kann. Mitarbeiter anderer Märkte bestätigen dies. Nicht dagegen die Gemeinde.

Morgens um 7 ist die Wörthsee-Vollsortiments-Welt in Ordnung?

Die Bürgermeisterin hält dagegen. Die Gemeinde wird eine so frühe Anlieferung untersagen. Erst ab 7 Uhr soll geliefert werden. Gute Idee: Dann ballen sich die LKW An- und Abfahrten ausgerechnet in der Stunde des Schulwegs der Kinder. In der Spitzenstunde des Berufsverkehrs. Wo laut Gemeindezeitung die Busse zur S-Bahn rollen. Und: um 7 Uhr soll laut Gemeindezeitung der Markt bereits geöffnet werden. Das wird lustig zugehen auf dem steilen und engen Parkplatz. LKW-Sattelzug rangiert rückwärts in die eingehauste Entladestation. Kunden-PKW stehen im Weg, der nächste LKW wartet schon. Das Idyll setzt sich fort im Innern des Marktes, wo gestreßte Teams innerhalb von Sekunden (ab 7 geöffnet – ab 7 beliefert) tonnenweise Frischware in die Regale räumen sollen.

Bis 18 LKW täglich

Im Verlauf des Tages werden nicht insgesamt 8, wie der Gutachter annimmt, sondern mindestens 12 und bis zu 18 LKW an- und wieder abfahren. Der Gutachter rechnet also auch hier mit Zahlen die zwischen 50% und 112% zu niedrig angesetzt sind. Wir sind keine Gutachter, aber es wäre schon nötig, dass Gutachten mit realistischen Zahlen zu rechnen. Es könnte ja sein, dass der Markt damit gar nicht zulässig wäre?

Geht so Verkehrsberuhigung?

Sind vielleicht sogar noch mehr PKW-Fahrten zu erwarten? Auf der Umsatzseite wird zum Beispiel im „CIMA“ Wirtschaftlichkeits-Gutachten unterstellt, dass auch viele Badegäste und Touristen den neuen Markt nutzen werden. Der See liegt nicht fußläufig. Diese Kundschaft würde mit ihren eher unterdurchschnittlich hohen Umsätzen nochmals höheren PKW-Verkehr mit sich bringen.

Der Standort zieht also erheblichen zusätzlichen LKW- und PKW-Verkehr in den Ort, wo doch eigentlich das Ziel sein sollte, den Autoverkehr zu reduzieren. Alle 30 Sekunden wird auf der Straßenkreuzung zur Etterschlager Straße, direkt vor dem geplanten Seniorenzentrum ein Auto ein- oder ausbiegen, nur für den Supermarkt. Der Planer sieht direkt an der Einmündung auf der Etterschlager Straße zwei barrierefreie Fußgängerüberwege vor. Eine chaotische Situation an dieser Kreuzung ist vorhersehbar. Planungen wie die beiden Radwege entlang einer erheblich verkleinerten Etterschlager Straße, die die Gemeinde seit Jahren vor sich herschiebt, werden illusorisch. Für die Befürworter des Projekts wird dagegen „Sowohl das innerörtliche Verkehrsaufkommen, als auch Einkaufsfahrten (…) reduziert.“ Eine krasse Fehleinschätzung.

Verkehrsbelastung durch neuen Vollsortimenter2021-03-28T15:05:08+02:00
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