Waldbiomasse ist Selbstbetrug bei den Erneuerbaren

Waldbiomasse -Selbstbetrug bei den Erneuerbaren

Die Gemeinde Wörthsee plant ein Nahwärmenetz, das mit Holzhackschnitzeln, also Biomasse, beheizt werden soll. Das Vorhaben wird als „nachhaltig“ verkauft. Im Januar 2022 haben Forscher im Auftrag der EU- Kommission einen Bericht zur Waldbiomasse erstellt. Mit erschreckenden Fakten, die sich mit Beobachtungen decken, die viele Bürger in unseren Wäldern bereits machen.

Als kleiner Junge habe ich abends immer fasziniert stundenlang in das Kaminfeuer schauen können. Die Wärme eines Kamins oder eines Holzgrundofens, den ich in den 1980er Jahren in mein Haus gebaut habe, ist eine wunderbar angenehme Form der Heizung, da ein Holzfeuer viel Strahlungswärme verbreitet. Und, Holz wächst nach, ist also weit weniger schädlich für die Umwelt, als fossile Brennstoffe. Dachten wir. Doch auch hier macht die Dosis die Medizin bzw. das Gift. Forscher des Joint Research Centre (JRC), ein Think-Tank der EU Kommission, schlagen Alarm.

Biomasseanlagen im Gebiet Ammersee Lech

Biomasseanlagen in unserer Region. Dunkelgrün eingezeichnet sind Verbrennungsanlagen. Quelle: Energieatlas Bayern.

Waldwirtschaft an der Meilinger Höhe. Trotz FFH Naturschutz werden immer mehr der alten Buchen gefällt. Das Holz wandert zu einem relevanten Teil in den Hackschnitzelofen. Siehe dazu: FFH Waldgebiet Meilinger Höhe. Bild unten: „Waldrestholz“. Siehe dazu: Humusbildung im Wald.

Waldrestholz
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Sie können die Kampagne von We move Europe gegen die Einstufung von Holzverbrennung als klimaneutral hier unterstützen.

JRC Waldbioenergiestudie – Holz taugt nicht für großtechnische Energierzeugung

Die Forscher der EU Kommission konstatieren nach ihrer Analyse der europaweit vorliegenden Daten zur Nutzung von Waldbiomasse sehr negative Trends:
  • In Europa hat besonders die Nutzung von Holz zur Verfeuerung deutlich zugenommen. Der CO2 Ausstoß liegt mittlerweile bei über 350 Millionen Tonnen pro Jahr, wobei der CO2 Anteil pro erzeugter Energieeinheit beim Verfeuern von Waldbiomasse (Holz) besonders hoch ist.
  • 23 der 24 Waldbioenergieszenarien, die in dem Bericht bewertet wurden, stellen ein Risiko für das Klima, die Biodiversität oder beides dar. Nur die Nutzung bestimmter „fine woody debris“ (Waldresthölzer mit geringem Durchmesser), stellt unter Berücksichtigung der Transportwege, diese müssen kurz sein, ein „geringes Risiko“ für die Wälder und das Klima dar. Aber selbst unter diesem Szenario können die Emissionen aus der Verbrennung von Biomasse diejenigen aus fossilen Brennstoffen über Jahrzehnte hinweg übersteigen.
  • Die meisten nationalen Energie- und Klimapläne der Mitgliedsstaaten enthalten keine angemessene Bewertung der potenziellen Auswirkungen einer Ausweitung des Holzeinschlags auf die Umwelt und das Klima.
  • 30 Prozent der erneuerbaren Energien in Europa werden durch das Verbrennen von Holz erzeugt. Nur die Hälfte davon aus Abfallprodukten der Holzverarbeitung.
  • Die gemeldete Nutzung von Waldbiomasse in der EU ist höher als die gemeldeten Quellen dieses Holzes. Das bedeutet, dass bis zu 20% des in der EU verbrannten Holzes aus unbekannten Quellen stammt.

Schädlich in Europa, aber gut bei uns?

Die Gemeinden Wörthsee und Seefeld behaupten, ihre Waldbiomassekraftwerke wären klimaneutral. Dies ist, nach diesem aktuellen EU Report, nicht viel mehr als Selbstbetrug. Oder Irreführung der Bürger. Dahinter zu vermuten ist eine starke Lobbyarbeit der Waldbauern im Landkreis, die sich von der wachsenden Nachfrage nach ihrem Holz schlicht höhere Preise ausrechnen können. Auch bei den Förderrichtlinien für private Heizungsumrüstung sind zum Beispiel Holzpelletheizungen nach wie vor als nachhaltig eingestuft und werden sogar bezuschusst. Das Landratsamt Starnberg tutet in das gleiche Horn wie die beiden Gemeinden, wenn es in der Einladung zu einer Informationsveranstaltung über Holzheizungen „Effizient heizen mit Holz“ so informiert:

Typische Verbrennungstechniken für moderne Holz-Zentralheizungen (…) sind ein Schwerpunkt des Vortrags. Mögliche Förderungen für Holzheizungen mit nützlichen Tipps zur Antragstellung und Förderhöhe bilden ein weiteres Kapitel.“

Holz gilt als „guter“, umweltfreundlicher und förderungswürdiger Brennstoff. Was unterschlagen wird:

  • Der CO2-Ausstoß von Holzhackschnitzel beträgt etwa 450 g/kWh, bei Heizöl liegt der Wert bei 266 g/kWh, bei Erdgas bei 202 g/kWh.
  • Der Wachstumsprozess von Bäumen, währenddessen CO2 gebunden und als Kohlenstoff eingelagert wurde, liegt in der Vergangenheit, 1 bis – wie der gefällten Buche oben links im Bild – über 200 Jahre zurück. Das Freisetzen des CO2 dagegen findet unmittelbar jetzt beim Verbrennungsvorgang statt. Die Forscher nehmen an, dass der nachwachsende Wald das bei der Verbrennung von Holzbiomasse freigesetzte Co2 erst nach vielen Jahrzehnten zurückbinden kann.

Moderne Holzzentralheizungen mit Pellets oder Hackschnitzeln haben nichts mehr mit der eingangs konstatierten Kaminfeuerromantik gemein. Für modernes Heizen ohne fossile Brennstoffe gibt es bessere und modernere Lösungen wie Wärmepumpen. gegen althergebrachte Holzverbrennung im Kachelofen oder Kamin hat niemand etwas. Das Problem ist die großindustrielle Nutzung des Holzes für Verbrennung.

Im Landkreis: nichts Gewisses weiß man nicht

Was im Landkreis fehlt, ist im Übrigen eine genaue Analyse, welche Mengen an Schwachholz denn tatsächlich für Hackschnitzel zur Verfügung stehen. Die Karte zeigt, dass südlich von Augsburg bereits eine Reihe von Holzverfeuerungsanlagen in Betrieb sind. Allein das sehr große Augsburger Biomassekraftwerk bezieht seinen Brennstoff aus einem Umkreis von 80 Kilometern. Weitere kleinere Kraftwerke befinden sich bereits in Landsberg, Fürstenfeldbruck, Gilching, Gauting, Seefeld. Eine Gesamtplanung für den Landkreis oder den Regierungsbezirk für Verbrennung und Vorrat von Waldbiomasse existiert nicht. Daher ist dem Raubbau schon aus Unwissenheit Tür und Tor geöffnet.

Beobachtungen auf der Meilinger Höhe lassen alles Andere als einen schonenden Umgang mit dem dort besonders geschützten wertvollen Wald erkennen. Der Wald würde zu einer noch intensiver bewirtschafteten Nutzholzpflanzung degenerieren, wenn wir jetzt den Biomassepfad noch weiter ausbauen. Es gibt im Voralpenland sehr gute Alternativen für wirklich nachhaltige Wäremerzeugung wie zum Beispiel Wärmepumpen oder vor allem die noch kaum genutzte Geothermie. Diese bleibt derzeit hier im Landkreis Starnberg immer noch vollkommen ungenutzt. Ein großes privates Geothermieprojekt in Herrsching wurde jetzt durch den Klinikneubau ausgebremst.

Die Holzernte in Europa müsste eigentlich reduziert werden, um die CO2 Bindung der Wälder zu erhöhen. Das Gegenteil ist der Fall, die EU Kommission konstatiert, dass die CO2 Speicherfunktion der Wälder in Europa bereits abnimmt. Schuld ist vor allem die Holzverbrennung in immer mehr Kraftwerken.

JRC Waldbioenergiestudie – ein vernichtendens Zeugnis für Biomasseverheizung

Die meisten möglichen Szenarien für Waldbiomasseverbrennung landen bei einem hohen Risiko, die CO2 Emissionen auf mindestens 30 bis über 100 Jahre zu erhöhen. Allein das Szenario 5, die Entnahme von Schwachholz aus Nadelwäldern hat eine „neutrale bis positive“ Bilanz. Quelle: Joint Research Centre (JRC) JRC Forest-bioenergy-study-2021 Ausriss oben kommentiert in „Annotated version“ des Reports. Da in unserem Landkreis ebensowenig wie in den Nachbarbezirken eine Planung zur Verbrennung von Waldbiomasse existiert, ist ein Vabanquespiel auf Kosten der Umwelt im Gang.

Was also soll ich meiner kleinen Enkeltochter bieten? Die Romantik des Kaminfeuers fasziniert sie bereits jetzt mit ihren wenigen Monaten. Allerdings: Vorsicht Feinstaub. Dennoch glaube ich, der althergebrachte gelegentliche Luxus eines Kaminfeuers oder der Wärme aus einem Grundofen ist nicht das Problem. Die großtechnische Vernutzung von „Waldbiomasse“ ist dagegen ein solches. Denn auch hier macht die Dosis das Gift.

Fotos und Beitrag: Stephan Bleek

Waldbiomasse ist Selbstbetrug bei den Erneuerbaren2022-03-22T12:17:05+01:00

Ein Vollsortimenter-Supermarkt als Ortsmitte?

Ein Supermarkt als Ortsmitte?

Ein Vollsortimenter-Supermarkt als neue Ortsmitte? In einer Nebenstraße im Kuckuckswald in Wörthsee?  Das wirft Fragen auf. Wie durchdacht ist dieses Projekt?
Karte der Gemeinde Wörthsee. Quelle: Bayernatlas

Die Gemeinde Wörthsee ist sehr lang gestreckt, locker bebaut und ohne gemeinsames Zentrum der Ortsteile. Quelle: Bayernatlas

Einzugsbereich der Supermärkte

Ein Kilometer Radius um den bestehenden (blau) und den geplanten (rot) Supermarkt. Ein Drittel der Nah-Kundschaft überlappt. Quelle: Bayernatlas, Bearbeitung SB.

Vor dem Gewitter

155 Regentage zählt Wörthsee im Jahr. Regen, Schnee, Glatteis oder große Hitze sind gute Gründe, nicht zu Fuß zum Einkaufen zu gehen. Foto: D Bleek

Zum Standort Kuckucksstraße

Schafft ein, zwei, viele Zentren!

Das „Problem“ bei allen neuen Planungsansätzen in Wörthsee ist die Zusammensetzung der Gemeinde aus 5 (bzw. 7) Teilgemeinden, die eine schmale, langgestreckte Siedlung bilden, die keine Ortsmitte hat. Die Gemeinde hat sich vorgenommen, am Teilsrain nachzubessern und hier ein neues Zentrum entstehen zu lassen. Gleichzeitig plant die Gemeinde jedoch in Steinebach am Kirchenwirt ein weiteres Ortszentrum. Ist das sinnvoll? Das von der Gemeinde erbetene Gutachten „Feinstudie am Teilsrain“ bleibt skeptisch: „Eine wesentliche (offene) Frage ist auch die Gestaltung und Gewichtung eines möglichen Kernbereichs oder sogar Ortszentrums “Am Teilsrain“ und der Einfluss auf vorhandene bzw. neu entstehende Kernbereiche innerhalb des Gemeindegebiets, wie bspw. das Areal „Am Kirchenwirt“ im Altort Steinebach.“

Ein Supermarkt als Zentrumsbilder?

Um dem Areal am Teilsrain „Zentrumsqualität“ zu verleihen, setzt der Gemeinderat auf den „Nahversorger“. Dem Supermarkt wird damit eine hohe soziale Qualität zugesprochen. Jedem, der einen Supermarktbetrieb kennt, mag das fragwürdig erscheinen. Praxis ist doch: Mit dem Auto zum Parkplatz, mit dem rasselnden Wagen durch den Markt, Zahlen und wieder raus, Einkauf rein ins Auto und weg. Ein Supermarkt mit Backshop als sozialer Ort für‘s Schwätzchen, zum Innehalten, zur Begegnung? Das wirkt doch sehr realitätsfern. Ein neues Ortszentrum entsteht so nicht.

Was ist ein Nahversorger oder wird es weniger Autorverkehr geben?

Was ist ein Nahversorger? „Unter dem Begriff Nahversorgung wird allgemein die fußläufige Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen des täglichen Bedarfs verstanden. Dabei werden zehn Gehminuten oder ca. 1.000 Meter als Zielwert in der Literatur und in kommunalen Nahversorgungskonzepten angesehen.“(Studie: Bundesumweltministerium, Sicherung der Nahversorgung in ländlichen Räumen. Impulse für die Praxis) Man meint also Einkaufen zu Fuß.

Zu Fuß erreichbar?

Was ist in Wörthsee vom Argument „fußläufig erreichbar“ zu halten? Zweifellos ist der neue Standort unter diesem Aspekt auf den ersten Blick etwas besser, als der bestehende Marktstandort Günl Waldbrunn. Wegen des sehr zerfaserten Dorfs aus 7 Ortsteilen sind jedoch an jedem denkbaren Standort jeweils nur relativ wenige Bürger im Einzugsbereich von einem Kilometer vorhanden, viel zu wenige, als zur Rechtfertigung eines weiteren Marktes in nur einem Kilometer Abstand voneinander plausibel wären. Hinzu kommen weitere negative Fakten. In der Stude „Nahversorgung in Bayern“ des Bayerischen Wirtschaftsministeriums heißt es zum Beispiel klipp und klar: „Das Kriterium „Distanz“ stellt lediglich eine erste Orientierung zur Bewertung der Nahversorgungssituation dar. (…) Ob Kunden mögliche Fußwege im Rahmen ihres Einkaufs zurücklegen ist von vielen Faktoren abhängig (…) Topographie, leichte Anstiege stellen i.d.R. bereits ein K.O. Kriterium dar“.

Gelände ist K.O. Kriterium

Für Wörthsee stellt sich die Situation am Teilsrain leider genau so dar: die Topographie im 1-Km-Radius ist bergig, also extrem ungünstig (=K.O. Kriterium). Der Höhenunterschied zwischen geplantem Standort und See beträgt 34 Meter. Fußwege oder Radwege fehlen. Der Gutachter der Feinstudie „Am Teilsrain“ schreibt auf S. 29: „Der erhöhte Flächenverbrauch und das zu erwartende Verkehrsaufkommen innerhalb des Gebiets durch einen Nahversorger mit ca. 1200m2 Verkaufsfläche stehen einer ruhigen Wohnnutzung gegenüber.“

55 Parkplätze – 1000 Autos am Tag?

55 Parkplätze sind am neuen Supermarkt geplant. Die Bürger werden weiter das Auto zum Einkaufen benutzen und das CIMA Gutachten schreibt dazu: „Durch die Lage in unmittelbarer Nähe zur Hauptverkehrsachse Etterschlager Straße stellt sich die Erreichbarkeit des Projektstandorts für Pkw-Kunden als gut dar, wenngleich sich die direkte Anfahrbarkeit des Edeka Günl an der Hauptverkehrsachse besser darstellt. „CIMA Gutachten“ S.21.
Unterstellt wird hier für beide Märkte selbstverständlich, dass das Gros der Kunden das Auto nutzen wird. Die Idee eines großen Anteils an Fußgängerkunden am Teilsrain ist nicht plausibel.

Wußte das Niemand?

Die Gemeinde hat tatsächlich lange und intensiv planen lassen. In der „Feinstudie am Teilsrain“ von 2018 stellt der Gutachter an verschiedenen Stellen die Nachteile des Konzepts fest. Auf Seite 38 listet er die Nachteile des Standorts so auf:

  • Problem Naturschutz bleibt trotz Abrücken vom Waldrand
  • Wald als nicht integrierte Restfläche
  • Zufahrt topografisch schwierig
  • separate Erschließung Wohnbebauung schwierig
  • rückwärtige Lage – intensive Werbung an der Etterschlager Straße notwendig (Pylon)
  • hoher Flächenverbrauch bei oberirdischer Parkierung
  • Verkehr im ruhigen Wohnbereich
  • weniger Fläche für Wohnbebauung
  • höhere Bebauung notwendig, Staffelung zum Bestand oder zur Natur schwierig
  • barrierefreie Verbindung Seniorenzentrum (an der Kirche geplant) / Nahversorger schwierig“

Auf Seite 43 stellt er fest:

„Die bestehende Konkurrenz vor Ort (EDEKA) bedingt für Investoren/Betreiber gewisse Grundvoraussetzungen für den Betrieb eines zweiten Supermarktes:

  • bequeme Erreichbarkeit und Nutzbarkeit (d.h. ebenerdige Parkierung) (PKW-Erreichbarkeit)
  • differenziertes Sortiment (d.h. große Verkaufsfläche) (…)

Eine kompakte, dem Standort und der Topografie angemessene Lösung mit einer Parkierung unter oder über der Verkaufsfläche wird von den bisherigen Investoren/Betreibern abgelehnt.“

Als weiterer Standortnachteil wird dann festgestellt:

„Die rückwärtige Lage an der Kuckuckstraße mit schwieriger Zufahrt (Hang) kann den dauerhaften Betrieb des Supermarkts gefährden. Diese Lage ist nur mit einer intensiven Bewerbung (beleuchteter Pylon an der Etterschlager Str.) möglich.“

Der Gutachter windet sich sichtlich, ein von ihm negativ gesehenes Konzept doch plausibel erscheinen zu lassen. Sein Fazit: Ein alternatives, seniorengerechtes Nahversorgungskonzept mit erweitertem Dorfladenangebot, ergänzt und unterstützt durch zusätzliche aktiv genutzte Angebote, könnte eine mögliche, wenn auch mit Risiken (Fortbestand) behaftete Alternative sein. Dies würde aber nicht den aktuellen Wünschen der Gemeinde nach einer umfassenden Nahversorgung entsprechen.“

Das heißt, die Gemeinde hat von vorneherein den „aktuellen Wunsch“ gehabt, hier einen Vollsortimenter-Supermarkt zu errichten. Bei den Planungs- und Begutachtungsprozessen wurde mit erheblichen Manipulation der Zahlen zur Wirtschaftlichkeit und zur Verkehrsbelastung gearbeitet, um die riesigen Nachteile des Projekts kleinzureden. Eine neue Ortsmitte wird ein Vollsortimenter-Supermarkt nicht schaffen.

Ein Vollsortimenter-Supermarkt als Ortsmitte?2021-03-28T15:05:00+02:00

Ein Beitrag zum Artensterben

Der Bau eines zweiten Vollsortimenters würde einen Beitrag zum Artensterben leisten

Auf den ersten Blick denkt man ja, an so einem Waldrand kann nicht viel los sein mit seltenen Tieren. Aber im Planungsgebiet Vollsortimenter und den direkt angrenzenden Bereichen leben heute mindestens 12 Fledermausarten, 8 Amphibienarten und 26 Vogelarten. Der Bau des Vollsortimenters in Wörthsee würde einen weiteren Beitrag zum Artensterben leisten.

Wasserfeldermaus
Rauchschwalben
Springfrosch

Durch das Bauvorhaben wird ein notwendiger Lebensraum für viele, teilweise geschützte Tierarten, unwiederbringlich zerstört.

Jagdrevier für seltene Fledermausarten

Die heimischen Fledermausarten beziehen regelmäßig Quartiere im Planungsgebiet des Supermarktes und nutzen dieses Gebiet als Jagdgebiet und Flugwegkorridor. Mit dem Bau des Vollsortimenters zerstören wir der Wasserfledermaus, dem Braunen Langohr und den anderen Fledermausarten ihren Lebensraum. Durch die Rodung der alten Buchen werden sie von ihrem angestammten Platz vertrieben. Ausgleichsflächen an anderer Stelle können das nicht ändern. Die geplante Neupflanzung von Bäumen am Ziegelstadel braucht Jahrzehnte, um den Fledermäusen als Quartier zu dienen.

Vogelarten auf der Roten Liste

Insgesamt 26 Vogelarten sind im Bereich des geplanten Vollsortimenters nachgewiesen worden. Der Gelbspötter wird in beiden Roten Listen als „gefährdet“ eingestuft. Goldammer, Kuckuck und Rauchschwalbe stehen auf mindestens einer Vorwarnliste. Die vier Steinebacher Goldammerpaare werden ihr Brutgebiet verlieren und die anderen 25 Vogelarten werden zumindest aus ihrem angestammten Nahrungsgebiet vertrieben.

Geschützte Amphibien

Bei der Artenschutzprüfung wurden die europarechtlich streng geschützten Amphibien, Springfrosch, Kammmolch und Laubfrosch und 5 weitere Amphibienarten im Planungsgebiet Vollsortimenter festgestellt. Aufgrund der dichten Streu aus Fall-Laub gibt es im Bereich „Kuckuckswald“ viele Unterschlupfmöglichkeiten für Amphibien. Zudem liegt dieser Bereich nördlich der Straße und ist somit „barrierefrei“ für Frösche an die nordwestlichen Wälder und Gewässer angebunden.

Wenn der Vollsortimenter kommt, wird dem Springfrosch und seinen Artgenossen der Lebensraum genommen und der Weg zu den Laichgewässern wird von dem riesigen Supermarkt versperrt. Die Überquerung des Parkplatzes ist für Frösche lebensgefährlich und auch durch die Baufahrzeuge ist mit Tötungen unbedingt zu rechnen

Ein Beitrag zum Artensterben

Rund eine Million Tierarten sind weltweit akut vom Aussterben bedroht, warnen WWF und Nabu (Nabu Bayern ist der Landesbund für Vogelschutz Bayern). Damit nennen sie das Artensterben neben dem Klimawandel als die größte Bedrohung für die Erde.

Wann wollen wir anfangen, etwas gegen das Artensterben zu unternehmen, wenn nicht jetzt? Wo sollen wir anfangen, wenn nicht bei uns vor Ort?

Zahlen, Daten und Fakten aus: „Geplante Ausweisung von Baugebieten östl. des Friedhofs Buchteil – Gemeinde Wörthsee Faunistische Bestandsaufnahme des Dipl. Biol. Ralph Hildenbrand vom 15.11.2016 (auf der homepage der Gemeinde Wörthsee/Amtliche Bekanntmachungen/2020/12.11./“Faunistische Bestandsaufnahme“) und der Website des WWF.

Petra Roscher, Wörthsee

Ein Beitrag zum Artensterben2021-06-05T10:54:30+02:00

Standort des 2. Vollsortimenters am Steilhang

Bereits die Topographie macht den Standort für einen 2. Vollsortimenter fragwürdig. Der Hang am Standort ist steil. Steile Zufahrten machen das Projekt untauglich für Fußgänger. Die Vorschriften für barrierefreies Bauen werden mit Müh und Not eingehalten. Um den PArkplatz in den Waldhang zu fräsen wird eine ca. 80m lange Betonstützmauer benötigt.
Lageplan_Vollsortimenter_Zufahrten

Der geplante Vollsortimenter soll in den bewaldeten Steilhang unterhalb der Kuckuckstraße platziert werden. Quelle: Schallschutzgutachten

DIN 18040-1
Text DIN-18040-1

Fußweg an der Untergrenze der Anforderungen für barrierefreies Bauen.

Planung Gehweg

Die Detailplanung: Vorgesehen auch „3 Fahnenmasten“

Der geplante zweite Vollsortimenter wird am Teilsrain mangels eines wirklich geeigneten Standorts im Gemeindegebiet an einen Steilhang platziert. Hierzu schreibt der Gutachter der städtebaulichen ISEK-Feinstudie „Am Teilsrain“:

„Die Topografie des Untersuchungsgebiets ist problematisch. Das Gebiet fällt von der Etterschlager Straße Richtung Osten um ca. 5 Meter. Die bewaldete Hangkante am südlichen Rand des Grundstücks stellt ebenfalls eine topografische Barriere dar. Der Höhenunterschied beträgt hier in Teilbereichen bis zu ca. 7 Meter.“

Die ungünstige Platzierung des geplanten Vollsortimenters am Steilhang unterhalb der Kuckucksstraße führt zu sehr steilen Zufahrten mit einem Gefälle von 7%. Im Bereich der Zufahrt Tiefgarage steigt die Neigung sogar bis 10% parallel zum Gebäude. (Quelle: Planung Terrabiota, Schallschutzgutachten S. 5 und S. 25). Das bedeutet nicht nur erhöhten Lärm durch Automotoren, sondern auch eine hohe Belastung durch die im Winter nötige Salzstreuung. Ohne mehrfaches Streuen am Tag würden diese schattigen Zufahrten an einem steilen, und (noch) bewaldeten Nordhang häufig vereisen.

Fußgänger sollen den Markt über eine Treppe erreichen

In unmittelbarer Nachbarschaft zum geplanten Vollsortimenter soll ein Seniorenzentrum entstehen. Von den Befürwortern des Projekts wird gerne argumentiert, dass die Senioren in dem geplanten Markt bequem einkaufen können. Einer der beiden Fußwege zum neuen Gebäude weist allerdings eine Treppe auf, die den Höhenunterschied von etwa 3 Metern überwindet. Klar sollen wir uns fit halten, aber als bequem fußläufig zu erreichende Einkaufsmöglichkeit, insbesondere für Senioren, kann man das nicht verkaufen. In der neuesten Planung wurde, um die Barrierefreiheit zu erreichen, ein zweiter Fußweg angelegt.

Der zweite Fußweg entspricht eben noch der Untergrenze für barrierefreies Bauen

Behinderte sollen über eine 46 Meter langgezogene Rampe mit einem Gefälle von 6% zum Markt hinunter und wieder zurück. Das Gefälle dieses Weges entspricht so eben noch der laut DIN 18040-1 maximal für barrierefreie Zugänge tolerierbaren Neigung. Bei einer Straßen-Höhen-Kote von 584,75 m ü. NN. und einer Höhenkote von 582 m ü. NN Ecke Vollsortimenter ergibt sich eine Höhendifferenz von 2,75 m – damit etwa 46 m Länge der Zuwegung bei 6 % Neigung. Die vorgeschriebenen Zwischenpodeste mit höchstens 3% Neigung werden hoffentlich nicht vergessen. Ob ein „Pflasterbereich“ der Vorschrift „leicht und erschütterungsfrei zu befahren“ entspricht? Viele Erdbewegungen und Baumfällungen werden jedenfalls notwendig, um einen ungünstigen Standort doch noch irgendwie zu ertüchtigen.

80 Meter Betonstützmauer

Der Parkplatz und die Zufahrt benötigen mindestens etwa 80 Meter Betonmauer. Sie dürfte zwischen einem Meter 50 und 2 Meter hoch 40 Zentimeter stark werden. Mit Fundament eine gewaltige Menge Beton. Von wegen ökologische Holzhütte!

Feinplan Parkplatz

Standort des 2. Vollsortimenters am Steilhang2021-03-28T15:05:15+02:00

Verkehrsbelastung durch neuen Vollsortimenter

Hohe Verkehrsbelastung kleingerechnet

Der zweite Vollsortimenter-Supermarkt soll in nur 1200 Meter Entfernung zum bestehenden großen Edeka Vollsortimenter gebaut werden. Wie steht es um die Verkehrsbelastung infolge des Projekts? Hierzu wurden die vorgeschrieben Gutachten eingeholt. Doch überraschenderweise arbeiten sie mit Basiszahlen, die weit zu niedrig sind.

Wird es hier zukünftig zu Staus kommen? Täglich + 18 LKW sowie + 1000 PKW? Das soll „verkehrsberuhigend“ wirken.

Verkehrsgutachten

Auszug Verkehrsgutachten. PKW Zahlen um 66% zu niedrig. LKW Zahlen um bis zu 112% untertrieben. Originalzahl schwarz, Korrektur in blau. Bild: Verkehrsgutachten.

„Ob Kunden mögliche Fußwege im Rahmen ihres Einkaufs zurücklegen ist von vielen Faktoren abhängig (…) Topographie, leichte Anstiege stellen i.d.R. bereits ein K.O. Kriterium dar“

Nahversorgung im ländlichen Raum, Bayerisches Wirtschaftsministerium

„Das zu erwartende Verkehrsaufkommen innerhalb des Gebiets durch einen Nahversorger mit ca. 1200m2 Verkaufsfläche stehen einer ruhigen Wohnnutzung gegenüber.“

Feingutachten Teilsrain, ISEK

„Die Altersgruppe der Senioren spielt in der Mobilität eine große Rolle. In der Folge ist eine Zunahme der PKW Nutzung bei gleichzeitiger Abnahme der fußläufig zurückgelegten Wege der Senioren festzuhalten. (…) Entgegen der landläufig oft geäußerten Vorstellung, nimmt die Mobilität mit dem Alter derzeit zu.“

PKW Szenarien bis 2030. Fakten, Trends…, Shell Studie

„…wie die meisten Discounter zwischen 4:30 und 7:30, da muss dann halt einer da sein. Ich hab mal in ’nem Supermarkt gearbeitet, Obst und Gemüse kam da um 5:30, Samstag um 4:30…“

Wann wird geliefert?, Gute Frage
Gutachten zum Verkehr mit zu niedrigen Zahlen

Wie gut rechnen die Gutachter, wenn es um die durch den neuen Vollsortimenter zu erwartende Verkehrsbelastung geht? Dazu wurden ein Verkehrs- und ein Lärmgutachten eingeholt. Im Lärmgutachten wird der zu erwartende Autoverkehr vom Gutachter angesetzt. Hierzu erwartet er, dass von 1200 Marktkunden am Tag 600 den PKW nutzen. Woher kommt diese Zahl? Dazu heißt es im Verkehrsgutachten auf Seite 6: „Nach Angaben eines potenziellen Marktbetreibers ist für die geplante Verkaufsfläche des Lebensmittelmarktes von einem kundeninduzierten Aufkommen von maximal 600 Pkw am Tag auszugehen.“

Zahlen im Gutachten vom „potentiellen Betreiber“ geliefert

Diese Zahl des „potentiellen Supermarktbetreibers“ (also des Investors?) macht der Gutachter ohne eigene Abschätzung zur Grundlage seiner Rechnungen. Ist diese Zahl von 50% Auto fahrenden Kunden realistisch? Laut Studie zur „Nahversorgung im ländlichen Raum“ des bayerischen Wirtschaftsministeriums nutzen im Durchschnitt mindestens 80% der Kunden z.B. wegen der schweren Einkaufstaschen den PKW für ihren Einkauf. Bei dem nur einen Kilometer entfernten Edeka Nahversorger sind es über 90%. Die ungünstige Topographie am geplanten Standort für den zweiten Nachversorger und die auch dort geringe Bewohnerdichte im 1 Km Radius lassen die ungünstige Zahl erwarten.

1000 PKW täglich

Also sind bei 1200 Kunden täglich nicht 600 sondern 60% mehr, also 960 PKW (=80% der Kunden) mit 2000 An- und Abfahrten realistisch. Der Gutachter unterschlägt 360 PKW oder fast 40% des zu erwartenden PKW Verkehrs.

LKW-Lieferverkehr ab 4 Uhr früh?

Auch die Zahlen zur Belieferung des Markts hat sich der Gutachter ungeprüft vom Investor geben lassen. Laut Gutachten fahren pro Tag 8 LKW-Fahrten zur Belieferung des Supermarktes 2 in den Ort hinein und wieder hinaus. Die Edeka in Walchstadt hat mit 1006 m2 inkl. Backshop eine etwa gleich große Verkaufsfläche wie der neue Markt (inkl. Shop 1040 m2). Laut Gutachten zur Lärmimmission kommt beim neuen Markt der erste Liefer-LKW nach 6 Uhr morgens. Das hat Gründe. Nach 6 Uhr gelten weniger strenge Schallschutzanforderungen. Er spricht von „Vereinzelten Anlieferungen zwischen 6:00 und 7:00“ (S. 15). Bei der Edeka Waldbrunn kommt der erste LKW jedoch bereits um 4 Uhr früh. Und die meisten Anlieferung geschehen vor 7 Uhr, damit bis zur Öffnung um 8 Uhr eingeräumt werden kann. Mitarbeiter anderer Märkte bestätigen dies. Nicht dagegen die Gemeinde.

Morgens um 7 ist die Wörthsee-Vollsortiments-Welt in Ordnung?

Die Bürgermeisterin hält dagegen. Die Gemeinde wird eine so frühe Anlieferung untersagen. Erst ab 7 Uhr soll geliefert werden. Gute Idee: Dann ballen sich die LKW An- und Abfahrten ausgerechnet in der Stunde des Schulwegs der Kinder. In der Spitzenstunde des Berufsverkehrs. Wo laut Gemeindezeitung die Busse zur S-Bahn rollen. Und: um 7 Uhr soll laut Gemeindezeitung der Markt bereits geöffnet werden. Das wird lustig zugehen auf dem steilen und engen Parkplatz. LKW-Sattelzug rangiert rückwärts in die eingehauste Entladestation. Kunden-PKW stehen im Weg, der nächste LKW wartet schon. Das Idyll setzt sich fort im Innern des Marktes, wo gestreßte Teams innerhalb von Sekunden (ab 7 geöffnet – ab 7 beliefert) tonnenweise Frischware in die Regale räumen sollen.

Bis 18 LKW täglich

Im Verlauf des Tages werden nicht insgesamt 8, wie der Gutachter annimmt, sondern mindestens 12 und bis zu 18 LKW an- und wieder abfahren. Der Gutachter rechnet also auch hier mit Zahlen die zwischen 50% und 112% zu niedrig angesetzt sind. Wir sind keine Gutachter, aber es wäre schon nötig, dass Gutachten mit realistischen Zahlen zu rechnen. Es könnte ja sein, dass der Markt damit gar nicht zulässig wäre?

Geht so Verkehrsberuhigung?

Sind vielleicht sogar noch mehr PKW-Fahrten zu erwarten? Auf der Umsatzseite wird zum Beispiel im „CIMA“ Wirtschaftlichkeits-Gutachten unterstellt, dass auch viele Badegäste und Touristen den neuen Markt nutzen werden. Der See liegt nicht fußläufig. Diese Kundschaft würde mit ihren eher unterdurchschnittlich hohen Umsätzen nochmals höheren PKW-Verkehr mit sich bringen.

Der Standort zieht also erheblichen zusätzlichen LKW- und PKW-Verkehr in den Ort, wo doch eigentlich das Ziel sein sollte, den Autoverkehr zu reduzieren. Alle 30 Sekunden wird auf der Straßenkreuzung zur Etterschlager Straße, direkt vor dem geplanten Seniorenzentrum ein Auto ein- oder ausbiegen, nur für den Supermarkt. Der Planer sieht direkt an der Einmündung auf der Etterschlager Straße zwei barrierefreie Fußgängerüberwege vor. Eine chaotische Situation an dieser Kreuzung ist vorhersehbar. Planungen wie die beiden Radwege entlang einer erheblich verkleinerten Etterschlager Straße, die die Gemeinde seit Jahren vor sich herschiebt, werden illusorisch. Für die Befürworter des Projekts wird dagegen „Sowohl das innerörtliche Verkehrsaufkommen, als auch Einkaufsfahrten (…) reduziert.“ Eine krasse Fehleinschätzung.

Verkehrsbelastung durch neuen Vollsortimenter2021-03-28T15:05:08+02:00

Selber schleppen? Ich bin doch nicht blöd!

Selber schleppen – ich bin doch nicht blöd!

Welche Rolle spielt eigentlich der Online Lebensmittelhandel und wie wird er sich in den nächsten Jahren auf die Supermärkte auswirken? Strategiepapiere der Edeka und des Einzelhandelsverbandes sehen große Veränderungen als wahrscheinlich an. Selber schleppen – ich bin doch nicht blöd! Einen 2. Vollsortimenter braucht es nicht.

Nicht erfolgreich. Der Dorfladen in Wörthsee. Foto: Ziegler

So sieht Amazon unsere glückliche Zukunft. Foto: Amazon Fresh Presse

Brucker Netz

Das Brucker Netz. Neuer regionaler Online-Lieferdienst für Regio- und Bio-Produkte. Quelle: Webseite

DHL bringt Einkauf Co2 frei

DHL bringt den Online-Kauf Co2 frei Foto: S. Bleek

Laden-Saeed-Mosafer-Haghighi-steinebach

Laden von Saeed Haghighi in Steinebach – Klein und erfolgreich. Foto: S. Bleek

In einem Strategiepapier der Edeka für die 2020er Jahre wird auf die Zunahme der Online Lieferdienste auch im Lebensmittelhandel verwiesen. Tatsächlich geben auch in einer neuen Studie des Einzelhandels bereits 30% der Kunden an, dass sie immer häufiger Nahrungsmittel im Internet bestellen. Das betrifft nicht so sehr die Frischware, aber die haltbare Lagerware. In Großstädten wie München allerdings hat sich der Lieferdienst auch für Frischware bereits etabliert. Die Edeka sagt den Vollsortimentern harte Zeiten voraus und möchte mit „Erlebniswelten“ kontern. Daran mag man glauben.

Werden Online-Lieferung und Frischware-Abholung die Zukunft?

Niemand kann die Zukunft voraussehen, aber ein Szenario, in dem sich eine Kombination aus Online-Bestellung mit Lieferdienst für Dauerware und kleinen „Points of Sale“ für Frischware durchsetzt, liegt durchaus im Rahmen der wahrscheinlichen Alternativen. Zwar hat der Online-Handel im Bereich der schnelllebigen Verbrauchsgüter – oder amerikanisch „FMCG“ – noch nicht die Marktanteile anderer Bereiche, aber laut Analytikern ist er rasant im Kommen: „Die Möglichkeit der Bestellung von Lebensmitteln im Netz wird jährlich (bereits) von rund 3,65 Millionen Menschen in Deutschland genutzt.“ (Sandra Ahrens, Statista, 29.10. 2020)

Die im Durchschnitt älter werdende Bevölkerung wird sich schwere Ware wie Drogerieartikel, Getränke, Konservenvorräte und alle trockenen und haltbaren Lebensmittel in die Wohnung liefern lassen. Das ist bequem und praktisch. Online-Bestelldienste können anhand der Einkaufshistorie automatisiert fehlende Waren erkennen und zum Nachkauf vorschlagen. Dieses Segment des Online-Handels wächst derzeit mit über 15% im Jahr. Die Supermärkte verlieren also immer mehr Kunden. „Gefragt sind vor allem haltbare Lebensmittel, denn das Vertrauen in die Produktqualität kann der Online-Versand aus der Sicht der Konsumenten bei frischen Lebensmitteln (noch) nicht gewährleisten. Frische und Preis sind jedoch die wichtigsten Kriterien beim Kauf von Lebensmitteln.“ (Sandra Ahrens, Statista, 3.11.2020)

Online ist eine wahrscheinliche Zukunft und nicht ein weiterer Riesenmarkt, gefüllt weitgehend mit haltbarer Allerweltsware, die bequem online bestellt und nach Hause geliefert werden kann. Ganz neu für Wörthsee ist das „Brucker Netz“, ein Onlineshop mit Lieferdienst für regionale und BIO-Lebens- & Genussmittel, die im Landkreis Fürstenfeldbruck und Umgebung hergestellt werden. Selber schleppen? Ich bin doch nicht blöd!

Klein hat also doch Zukunft?

Für Wörthsee möchte niemand eine Prognose erstellen, die das eindeutig bejaht. Der Wochenmarkt ist mangels Interesse wieder eingeschlafen, der Dorfladen wurde nicht ausreichend angenommen – was allerdings sehr spezielle Gründe haben mag. Alle kleine Läden sind weg? Nein, es gibt einen bescheidenen und erfolgreichen Kaufmann in Steinebach. Saeed Mosafer Haghighi führt seinen Obst-, Gemüse- und Feinkostladen seit 24 Jahren. Er liefert an Kunden, die es wünschen, nicht erst seit der Corona Krise frei Haus. 2016 schreibt der Münchner Merkur dazu: „Er hätte es viel besser gefunden, wenn die Gemeinde die kleinen Betriebe, „die sie ja auch immer unterstützen wollte“, in einer Art Einkaufscenter zusammengefasst hätte. „Aber das ging angeblich nicht.“

Die ISEK Planung hat Online übersehen

Die Städteplaner von ISEK haben das Thema der Kombination von Online-Lieferung und Kleinladen in ihren Betrachtungen bislang überhaupt nicht gesehen – meines Erachtens ein Versäumnis.

Große Lebensmittelketten wie Tegut beginnen bereits die Kooperation mit Lieferdiensten wie Amazon Fresh. REWE und Edeka bieten vielerorts bereits eigene Lieferdienste an. Was sich auf gar keinen Fall mehr ökonomisch sinnvoll darstellen lässt, sagen die Edeka-Strategen ebenfalls: zwei große Anbieter von über 1000 m2 Verkaufsfläche mit jeweils zu kleinem Einzugsbereich. Ein zweiter Vollsortimenter in Wörthsee müsste in erheblichem Maße Kunden aus der weiteren Umgebung anziehen. Dort werden allerdings ebenfalls Erweiterungen der bestehenden Märkte (Edeka Seefeld) gebaut oder sind neue Sortimenter in Planung, wie in Hechendorf.

Ein Wettlauf „Wer hat den größten Markt im Ort?“ ist ein Fehler.
Zwei Vollsortimenter nah beieinander sind unsinnig.

Hier mehr zum Thema:

Selber schleppen? Ich bin doch nicht blöd!2021-03-02T20:04:53+01:00

Fragwürdige Wirtschaftlichkeit des 2. Supermarkts

Fragwürdige Wirtschaftlichkeit

In nur 1200 Meter Entfernung vom bestehenden großen Edeka Vollsortimenter soll ein weiterer Supermarkt gebaut werden. Das wirft Fragen auf. Wie steht es um die Wirtschaftlichkeit des Projekts?

Karte der Gemeinde Wörthsee. Quelle: Bayernatlas

Eine langgestreckte und zerfaserte Gemeinde: Wörthsee. Quelle: Bayernatlas

Edeka Waldbrunn

Die Edeka im Ortsteil Waldbrunn. Foto: S. Bleek

Edeka Standortanforderung

Edeka Standortanforderung für Verkaufsfläche: 5000 Ew. im Kerngebiet für 1000 m2 Verkaufsfläche. Quelle: Edeka Strategiepapier.

Supermarkt Kuckuckswald – Wirtschaftlichkeit schöngerechnet?
Einzelne Gemeinderäte sind „empört“, dass Bürger es wagen, ihre Supermarktplanung in Frage zu stellen. Bei der Durchsicht der Gutachten und Stellungnahmen zu diesem Projekt ergeben sich allerdings Zweifel, ob das Konzept überhaupt wirtschaftlich tragfähig ist.

Die kaufkräftigen 5000

Wörthsee hat etwas über 5000 Einwohner – verteilt auf 5 Ortsteile. Laut bayernweiter Studie „Nahversorgung in Bayern“ (Staatsministerium Wirtschaft, 2011) benötigt ein (1!) einzelner Supermarkt in der geplanten Größenordnung um 1.200 m2 zur Rentabilität einen Einzugsbereich von mindestens 5000 Einwohnern. Die Gutachter versuchen dennoch die Rentabilität und den wirtschaftlichen Gewinn des Vorhabens gegenüber den Nachteilen wie Flächenverbrauch, Verkehr etc. zu behaupten. Im CIMA Gutachten wird unterstellt, der bestehende Edeka Markt würde mit derzeit 7-8 Mio. Umsatz pro Jahr nahezu das Doppelte des Umsatzes eines durchschnittlichen Edeka Supermarktes erwirtschaften. Unterstellt wird dann, der neue Markt würde einen Umsatzrückgang für die vorhandene Edeka von 25% oder etwa € 1,9 Mio. bedeuten. Die zum Erreichen der Rentabilitätsschwelle des neuen Marktes nötigen weiteren € 2,3 Mio. werden mit der kühnen Annahme einer Steigerung der Lebensmittelkäufe in Wörthsee um 30% auf € 9,5 Mio. ermittelt. Damit würden sich beide Einrichtungen gerade so eben rechnen.

Das Marktwunder vom Wörthsee?

Ist eine solche große Wachstumserwartung realistisch? Die Gutachter summieren hierfür Umsätze auf, die bislang im weiteren Umland getätigt werden. Einkaufsfahrten in größere Zentren haben im Alltag verschiedene Motive. So die Bündelung des Kaufs von z.B. Drogerieartikeln und Lebensmitteln. Oder die Zusammenlegung von Einkäufen mit z.B. Arzt- oder Dienstleisterbesuchen (laut Studie „Nahversorgung“ sind das 43% der Kunden). Oder der Einkauf bei Spezialanbietern für Frischfisch oder Metzgerei, für Feinkost oder asiatische bzw. italienische Waren, für Weine und Getränke und so weiter. Berufspendler kaufen häufig am Arbeitsort ein. Laut Studie „Nahversorgung“ tun dies im ländlichen Raum im Durchschnitt 52% der Pendler. Den rasant zunehmenden Online-Lieferservice lassen die Gutachter ebenfalls völlig außer Acht.

Ort der lockeren Geldbeutel?

Argumentiert wird im Gutachten auch mit der überdurchschnittlich hohen Kaufkraft in Wörthsee. Daher seien höhere Ausgaben pro Kopf für Lebensmittel anzunehmen. Das ist fraglich, da die Wörthseer wie alle Bundesbürger besonders bei Lebensmitteln durchaus preissensibel sind. Kaum jemand ist bereit, für Standardartikel des Grundbedarfs höhere Preise als bei der Konkurrenz zu zahlen. Die Fahrt zum Discounter bleibt trotz nahem Supermarkt angesagt. So gesehen ist das Projekt ganz besonders deshalb nicht sinnvoll, weil es zum bestehenden nur einen Kilometer entfernten Edeka Supermarkt nur einen weiteren mit vollkommen identischer Konzeption addiert.

Die Neubürger als Kundenbasis?

Die im Umfeld des Projekts neu entstehenden 120 Wohnungen bedeuten bei 2,25 Bewohnern pro Wohnung (das ist der Durchschnitt in Bayern) gerade einmal 270 Kunden, oder 0,54% der üblichen Einzugsbereichsgröße von 5000 Kunden. Das oft zu hörende Argument des Bevölkerungswachstums ist also irrelevant, es sei denn, der Gemeinderat plant eine rasante Vergrößerung des Orts.

Wer wird eigentlich Betreiber?

Bis heute ist es dem Vernehmen nach unklar, ob eine Supermarktkette bereits eine verbindliche Zusage für den Betrieb des neuen Markts abgegeben hat. Der Investor spricht lediglich von „Interessenten“. Also wittert hier anscheinend keiner das große Neugeschäft und die Annahmen der Gutachter scheinen weniger die Realität zu beschreiben als vom Gemeinderat erwartetes Wunschdenken zu bedienen.

Sind andere Anbieter denkbar?

Einen Discounter als Betreiber will niemand und den schließt der Gemeinderat explizit aus. Wäre jedoch etwa ein Bio-Supermarkt denkbar? Ein Betreiber aus der hochwertigen Ökoszene (DennS o.ä.) wurde von dem Investor bisher dem Vernehmen nach ebenfalls nicht gefunden. Das Umsatzversprechen des Gutachters wird offenbar auch bei den Betreibern solcher Märkte nicht geglaubt.

Wird es sogar schlechter als besser?

Kann der neue Markt die örtliche Versorgung sogar verschlechtern? Ein Umsatzrückgang pro Einheit durch möglicherweise „zuviel“ an Verkaufsfläche mit identischen Artikeln könnte im Gegenteil zu manchen Erwartungen dazu führen, dass z.B. Frischwarenangebot in den beiden Märkten mangels Umschlagstempo schlechter wird und daher eventuell Märkte in größeren und weiter entfernten Standorten noch attraktiver werden.

Droht eine Bauruine?

Wird der Neubau am Ende leerstehen? Das CIMA Gutachten traut seinen eigenen Annahmen nicht so ganz über den Weg und schließt: „Einschränkend ist hingegen die Wettbewerbssituation des Planvorhabens zu bewerten. Mit Edeka Günl befindet sich ein direkter Wettbewerber mit vergleichbarer Verkaufsfläche seit mehreren Jahren als eingeführter Versorgungsstandort nur ca. 1 km nördlich des Planvorhabens. Dieser Anbieter in sehr verkehrsgünstiger Lage wirkt sich begrenzend auf den zu erwartenden Umsatz aus.“

Unsere Alternativen

Wie aber sähen mögliche Alternativen aus? Hier mehr dazu:

Dr. Stephan Bleek
Veröffentlicht als Leserbrief (Kurzfassung) in der SZ 30.01.2021 Starnberg

Fragwürdige Wirtschaftlichkeit des 2. Supermarkts2021-03-02T20:05:40+01:00

Ein Gedicht zum Kahlschlag

Kahlschlag – ein Gedicht!

Es rauscht so mancher Baum im Wald,
Die Waldbesitzer lässt das kalt,
Denn steht der Baum am Waldessaum
Wird schnell er zum Gefahrenbaum!
Gefahrenbaum oh je, oh Schreck
Da muß der ganze Waldsaum weg.
Jetzt freie Sicht auf nächste Säume
Das werden doch Gefahrenbäume!
Gefahr gebannt, die Bäume liegen
Welch freier Blick bis zu den Zügen!
Oh Mensch, wann wird die Einsicht siegen?

Bobbi Gahn

Ein Gedicht zum Kahlschlag2021-05-30T21:13:13+02:00

Kahlschlag am Steinberg

Kahlschlag in Steinebach

Die „Stade Zeit“ nennen Bayern und Österreicher die Zeit um den Jahreswechsel. Das gilt nicht für Bayerns Wälder. Ende Dezember haben die Kettensägen Hochsaison. Ein Kahlschlag in Steinebach. Am Steinberg fiel ein Schlag von einem halben Hektar Buchenwald den Sägern zum Opfer. Der Wald steht als „Schutzwald“ in der Karte. Daher hatte ich Süddeutsche Zeitung und Münchner Merkur informiert. Und die Forstbehörde Weilheim.
Kahlschlag 4

Forstwirtschaft im Landschaftsschutzgebiet. Foto: S. Bleek

Kahlschlag 2

„Visuell ansprechender Erholungsraum.“ Foto S. Bleek

Kahlschlag 3

„Der wichtigste Klimaspeicher“. Foto: S. Bleek

Eine Buche mit dem selben Holzvolumen, also 3,4 m3, hat ein Trockengewicht von 1,9 Tonnen. Auch hier besteht die Hälfte des Holzkörpers aus Kohlenstoff, also rund 0,95 Tonnen Kohlenstoff. Dies multipliziert mit 3,67 ergibt 3,5 Tonnen CO2. Die Buche hat in ihrem Leben also 3,5 t CO2 gespeichert. Eine Buche mit dem gleichen Holzvolumen wie eine Fichte hat fast eine Tonne CO2 mehr gespeichert. Der Grund hierfür liegt in der höheren Holzdichte des Buchenholzes.

Wie viel CO2 speichert die Buche?, Stiftung Unternehmen Wald
Kahlschlag 6

„Schonende Bewirtschaftung“. Foto S. Bleek

„Gefahrbäume“ – endlich beseitigt. Foto: S. Bleek

Bewertung Holzeinschlag

Alter unter hundert? Foto S. Bleek

Jahresring 120 Jahre alter Stamm

Das Alter der gefällten Bäume: nur wenig hochwertige „Ware“. Foto: S. Bleek

Wildverbiss

Erst vom Wild verbissener dann zerstörter Nachwuchs. Foto: S. Bleek

Kleine Waldlichtung

Wenig Licht, schlecht gestufter Bestand. Foto: S. Bleek

Aufgerissener Waldbestand – anfällig für Windbruch. Foto: S. Bleek

Im Stadtwald Augsburg: Gestufter Mischwald mit Naturverjüngung. Foto: c/o Bleek

Schutzwald-Klassifizierung

Die Karte mit der Schutzwald- und Erholungswald-Klassifizierung. Quelle: Bayernatlas

Wo „Schutzwald“ drauf steht, ist nicht unbedingt „Schutzwald“ drin.

Als forstwirtschaftlich unbedarfter Bürger sollte man meinen, der abgeholzte Wald auf den nebenstehenden Bilder schützt nicht mehr viel. Und dass das daher so nicht gemacht werden sollte. Zumal das Waldstück auch Teil eines Landschaftsschutzgebietes ist, in dem nach § 26 Abs. 1 BNatSchG „ein besonderer Schutz von Natur und Landschaft erforderlich ist.“ und auch als „Erholungswald“ sowie als „Schutzwald für Immission, Lärm und lokales Klima“ nach Bundeswaldgesetz klassifiziert ist. Nach einem erholsamen Spaziergang in besonders geschütztem Naturraum und Landschaft sieht es hier nicht mehr aus.

Die Vorgaben der Behörden

Der Gesetzgeber findet gerne schöne Worte und setzt oft gute Vorgaben. So schreibt das Bundesamt für Naturschutz: „Der Landschaftsschutz schließt die Waldflächen ausdrücklich ein. Landschaftsschutzgebiete schützen nicht nur Naturlandschaften, sondern dokumentieren und sichern auch Kulturlandschaften, also land- und forstwirtschaftlich genutzte Gebiete, unter historischen und denkmalpflegerischen Aspekten. Dabei soll die Landschaft in ihrer vorgefundenen Eigentümlichkeit und Einmaligkeit erhalten werden.“ (…) “ In der Praxis bedeutet das, dass die Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes abgesichert und die Regenerations- und Nutzungsfähigkeit der Naturgüter erhalten oder wiederhergestellt wird. Weiterhin sollen Landschaftsschutzgebiete auch als visuell ansprechender Erholungsraum dienen.“

Durch solche Worte motiviert, habe ich mich an das Forstamt Weilheim gewandt, mit der Bitte, der visuell wenig ansprechenden Holzaktion des privaten Waldbesitzers doch Einhalt zu gebieten und zumindest ein Gespräch zur Vermeidung solch drastischer Abholzmaßnahmen in der Zukunft zu führen. Wo doch unsere bayerische Forstministerin im Vorwort zu ihrem Waldbericht 2020 schreibt: Wälder sind der wichtigste Klimaspeicher, den wir haben. Deshalb kommt es darauf an, die Wälder auf Dauer intakt, stabil und vital zu halten, damit sie ihre Leistungen für den Klimaschutz optimal erbringen können. Das gelingt am besten durch eine schonende und vorausschauende Bewirtschaftung und Pflege.“ (Bayerische Forstverwaltung, Waldbericht 2020, Seite 3)

Anspruch und Wirklichkeit

„Schonende und vorausschauende Bewirtschaftung“ – so wie nebenstehend kann das aussehen. Ein Bekannter sprach angesichts der Bilder von „Forstwirtschaft mit der Handgranate“.

„Wälder spielen weltweit eine zentrale Rolle beim Klimaschutz, bei der Bereitstellung sauberer Luft und reinen Trinkwassers. Sie sind wichtig für die Biodiversität und als Lebensraum unserer heimischen Wildtiere. Sie schützen die Böden vor Erosion durch Wasser und Wind. Die hohe Wasserspeicherkapazität der Waldböden puffert Starkniederschläge ab und schützt somit von Hochwasser. Wälder sind ein bedeutender Faktor beim Lärmschutz (…). Gleichzeitig sind unsere Wälder ein intensiv genutzter Ort für Erholung, Freizeit, Sport und Tourismus. Diese sogenannten Ökosystemleistungen wirken sowohl direkt wie indirekt und sind für die Daseinsvorsorge der Bevölkerung und das Wohl unsere Gesellschaft unverzichtbar. Die bayerischen Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer berücksichtigen mit ihrer nachhaltigen und naturnahen Waldbewirtschaftung alle diese Belange. Trotzdem sehen viele Mitbürgerinnen und Mitbürger die Pflege und Bewirtschaftung unserer Wälder kritisch, obwohl sie dem Wald und seinen Funktionen positiv gegenüberstehen.“ (Bayerische Forstverwaltung, Waldbericht 2020, Seite 32 – 33)

Der „dumme User“

Da fühlte ich mich ertappt. Der Waldspaziergänger, der einen Kahlschlag sieht und die „nachhaltige und naturnahe Waldbewirtschaftung“ nicht versteht. Aber es gab ja die Anfrage beim Forstamt. Es gab ja eine prompte und ausführliche Berichterstattung von SZ und Merkur. Groß war meine Ernüchterung, als das Statement des zuständigen Försters eintraf. Die gefällten Bäume seien „Gefahrbäume“ gewesen und aus Gründen der Verkehrssicherheit rechtzeitig (!) abgeschlagen worden.

Bewertung durch das Forstamt

In dem Waldgebiet „Am Steinberg“ wurden von zwei Waldbesitzern Hiebsmaßnahmen durchgeführt. Die räumlich getrennten Hiebsflächen belaufen sich auf Größen von ca. 0,3 ha und ca. 0,1 ha. Es wurden überwiegend Buchen und zum geringeren Teil Fichten eingeschlagen. Die Hiebe wurden nach Aussage der betroffenen Waldbesitzer v.a. durch ihre Verkehrssicherungspflicht für Waldbäume entlang der angrenzenden Weßlinger Straße, der Bahnlinie sowie der Wohnbebauung ausgelöst. Hier haften die Waldbesitzer vollumfänglich für alle Schäden, die von Bäumen mit erkennbaren Gefahrenmerkmalen ausgehen. Gefahrenbäume sollten daher im eigenen Interesse der Besitzer ebenso wie im Interesse der öffentlichen Sicherheit rechtzeitig entfernt werden. Die Hiebsmaßnahmen sind als ordnungsgemäße forstwirtschaftliche Nutzung einzustufen und unterliegen keiner Anzeige- oder Genehmigungspflicht. Eine Einstufung als Immissions- und Lärmschutzwald hat hierauf keine Auswirkung.“

Gefahrenbäume einen kompletten Hang hinauf? So läuft das im bayerischen Wald. Ich habe den Beteiligten zuerst nur mit einer Glosse antworten können, die in der Rubrik „Zum Kuckuck“ nachgelesen werden kann. Und dann mit einem wirklichen Experten eine Begehung des Kahlhiebs unternommen.

Was ein Forstexperte meint

Ich wende mich an einen Freund und Bergkameraden aus Studienzeiten, der Professor für Forstwirtschaft geworden ist. Am Sonntag, den 17.1.2021 sind wir mit ihm durch das Waldstück an der Wörthseestraße gegangen. Sein Fazit zu der Abholzaktion besonders im linken unteren und im oberen Teil des Hangs: im größeren Teil der Fläche ist auch der Jungbestand an Buchen zerstört, eine Wiederaufforstung müsste im kommenden Herbst erfolgen.

Bereits länger andauernde Vernachlässigung

Der Forstkundler hat sich ausführlich mit den Jahresringen der abgesägten Stämme beschäftigt. Bei den meisten Buchen im unteren Teil des Grundstücks, deren Alter um die 100 Jahre liegt, ist ein starkes Wachstum bis etwa 1980 zu sehen, danach nimmt das jährliche Holzwachstum deutlich ab.

Eine Reihe von Stämmen weist Rotkern auf. Verlangsamtes Wachstum und Rotkern sind Zeichen dafür, dass der Waldbestand nicht richtig gepflegt wurde und schön länger keine optimalen Wachstumsbedingungen mehr geherrscht haben.

Planloses Wirtschaften

Die Bäume, die im oberen Teil des Hangs gefällt wurden sind deutlich jünger, nur etwa 60-80 Jahre alt gewesen. Daher eher früh gefällt. Sein Eindruck insgesamt eine schlecht geplante und wenig professionell ausgeführte forstliche Maßnahme, die kaum wirtschaftlichen Nutzen bringt. Das meiste gewonnene Holz habe nur Brennholzqualität, ist also nur mit großen Preisabschlägen verhandelbar. „WBV“ Waldbesitzerverein ist auf die Holzstapel gesprüht.

Problem Wildverbiss

Der an einigen Stellen wachsende Nachwuchs an dünnen „Buchenbabys“ ist stark durch Wildverbiss geschädigt, weshalb auch diese ganz jungen Bäumchen bereits ein Qualitätsproblem haben. Der etwa 5-6 Meter hohe Nachwuchs an der Kurve gegenüber der S-Bahn Brücke, wo vor vielleicht 20 Jahren abgeholzt wurde, sollte stärker gepflegt, d.h. vor allem gelichtet werden, damit sich die besten Bäume kräftig und gesund entwickeln können.

Ein Rat für die Zukunft

Da das Waldstück nun weitgehend kahlgeschlagen ist, sind wir in die noch stehenden Bestände Richtung Burgselberg gegangen. Hier bestätigt sich der Befund einer eher schlechten Beforstung. Der Bestand wurde nicht rechtzeitig ausgelichtet, damit Bäume jungen und mittleren Alters nachwachsen hätten können und sich die Altbäume weiter verstärken hätten können. Der Bestand ist kaum durchmischt, die Buche dominiert, einige andere Baumarten täten gut im Hinblick auf die Widerstandkraft gegen die Klimaerwärmung. Die Baumkronen sind eher klein, weil die Buchen zu dicht stehen und aus diesem Grund würde der Holzbefund vermutlich ähnlich ausfallen, wie beim gefällten Bestand. Schlechtes Wachstum in den letzten Jahrzehnten, geringere Holzqualität. Ein zu dicht stehender altersmäßig nicht gestufter Bestand, ein Zustand, der nur schwer korrigierbar ist.

Nicht nachhaltig bewirtschaftet

Vermutlich wurde hier immer zwischen Kahlschlag und Wachsen lassen oszilliert, jedenfalls keine systematische Waldpflege betrieben, wie sie die Forstbehörde und die Öffentlichkeit heute fordern. Jedenfalls müssten jetzt Inseln eingeschlagen werden, über die Licht an den Boden kommt, damit der Nachwuchs eine Chance hat, im Schutz der verbliebenen, sich dann ebenfalls wieder kräftiger entwickelnden Altbäume, rasch an Größe zu gewinnen. In diese Inseln wären auch angesichts des Klimawandels andere hitze- und trockenheitsresistentere Baumarten zu den Buchen dazuzusetzen: Beispiele wären Eiche, Bergahorn, Weißtanne, Küstentanne.

Offene Flanke

Ein weiteres Problem der zuletzt durchgeführten Maßnahme ist auch das Wegholzen des Randbewuchses von starken Buchen, weswegen Windböen in den verbliebenen Bestand einbrechen können. Allerdings steht der aufgerissene Wald nicht in der Hauptwindrichtung, sodass dieses Folgeproblem dem verbliebenen Wald vielleicht erspart bleibt.

Die Gemeinde könnte jedenfalls im Interesse des Erholungswertes und der Schutzfunktion der Waldstreifen vom Burgselberg bis hinter die Steinbergstraße auf die Waldbesitzer und das Forstamt zugehen und für eine nachhaltige Beforstung werben. Der Stadtwald Augsburg böte sich als Muster für einen solchen anzustrebenden Waldbestand an. In den vergangenen Jahren wurde nach Aussage von Steinebachern bereits an mehreren Stelle des Waldrückens massiv eingeschlagen und ein Grundstück sogar verbotenerweise gerodet. Welche Folgen ein „weiter so“ haben kann, mag die folgende Fotomontage verdeutlichen.

Was getan werden könnte

Die Gemeinde könnte im Interesse des Erholungswertes und der Schutzfunktion der Waldstreifen im Gemeindegebiet auf die Waldbesitzer und das Forstamt zugehen und für eine nachhaltige Beforstung werben. Der Stadtwald Augsburg böte sich als Muster für einen solchen anzustrebenden Waldbestand an. In den vergangenen Jahren wurde nach Aussage von Steinebachern bereits an mehreren Stelle des Waldrückens massiv eingeschlagen und ein Grundstück sogar verbotenerweise gerodet. Welche Folgen ein „weiter so“ haben kann, mag die folgende Fotomontage verdeutlichen.

Nachtrag: Waldzustandsbericht 2020

Soeben hat Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner den neuen Waldzustandsbericht vorgelegt. Die Ergebnisse sind alarmierend. „Noch nie waren so viele Erhebungs-Bäume abgestorben wie 2020.“ Und: „Vier von fünf Bäumen haben lichte Kronen, konkret: …. 89 Prozent der Buchen.“ Milliarden werden daher locker gemacht, um die Wiederaufforstung zu subventionieren. Ich will nichts unterstellen, aber ein steuerfinanzierter Geldregen könnte allerdings auch Mitnahme Effekte in Form der Fällung von „Gefahrbäumen“ auslösen. Allerdings erlöst man derzeit, wie der Münchner Merkur schreibt, tatsächlich kaum Geld für Holz. „Der Markt ist überschwemmt, die Preise für Rundholz sind katastrophal niedrig“, erklärt Armin Elbs, Forstdirektor der Grafen Toerring laut Münchner Merkur.

„Aber ausgerechnet in der derzeitigen Situation bräuchten die Waldbauern finanzielle Mittel, um die durch Trockenheit, Käferbefall und Stürme ausgelichteten Flächen wieder mit verschiedenen, widerstandsfähigen Baumarten zu bepflanzen. „Investitionen für die Aufforstung sind bei den Holzpreisen nicht möglich, das ist extrem teuer“, sagt Elbs. Deshalb ist Fink froh, „dass der Staat reagiert hat und uns mit Zuschüssen unterstützt“.

Jedenfalls sind die Folgen der sehr trockenen Sommer seit 2015 im Oberland vergleichsweise milde, da es hier deutlich mehr geregnet hat. In den deutschen Mittelgebirgen dagegen sterben ganze Wälder großflächig ab. Die Waldbauern in unserem Gebiet sollten um so behutsamer mit ihrem Bestand umgehen. Wir vermuten, dass es nur mit einem Umbau der Waldflächen in gestufte Bestände von unterschiedlichen Generation und Arten eine Überlebenschance geben wird. Daher ist ein Kahlschlag nach Meinung vieler Experten eine falsche Maßnahme. Es wird jetzt Jahrzehnte dauern, bis sich wieder ein Wald gebildet haben wird, der seinen Namen verdient.

Text und alle Fotos: Stephan Bleek, Montage S. Bleek

Kahlschlag-Montage-1Kahlschlag-Montage-nachher

Es wäre gut, wenn die Umweltbeauftragten von Gemeinde und Kreis sich stärker bemerkbar machen, es handelt sich auch um die Bewahrung des Landschaftsschutzgebiets. Noch dazu fällt mit jeder großen Buche ein Aktivposten in der Co2 Bilanz aus. Wir brauchen mehr, nicht weniger Bäume im Kampf gegen den Klimawandel. Eine Gemeinde im selbsterklärten „Klimanotstand“ sollte dies berücksichtigen.

Kahlschlag am Steinberg2021-06-05T10:55:00+02:00

Einkaufen ginge auch mit dem Radl oder MVV

Einkaufen geht auch mit Radl oder MVV…

Die Befürworter des zweiten Supermarkts argumentieren gerne mit der Erreichbarkeit zu Fuß. Das ist ihr Hauptargument für den Standort. Wir haben bereits darauf verwiesen, dass die „Fußläufigkeit“ bei diesem Standort fragwürdig ist. Aber was gibt es außer dem Auto eigentlich sonst für Möglichkeiten, zum Einkaufen zu fahren?
Feinplan Parkplatz
Wurde hier an Fahrräder gedacht?

55 Parkplätze solle der neue Vollsortimenter bekommen. Schaut man die Pläne sehr genau an, gibt es auch 16 Fahrradstellplätze. Das zeigt die merkwürdige Denkweise der Projektplaner. Zwar soll der Markt „fußläufig“ erreichbar sein aber in der Realität kommt der Kunde für sie vorwiegend mit dem Auto, entgegen allen anders lautenden Beteuerungen.

MVV Haltestelle Waldbrunn
Mit MVV oder Fahrrad ist die bestehende Edeka umweltfreundlich erreichbar!

Die Projektbefürworter aus der Partei der „Grünen“ argumentieren dagegen mit der „Fußläufigkeit“ des neuen Markts. Wozu dann die vielen Parkplätze, wegen denen Wald gerodet werden soll, dienen sollen, verraten sie nicht. Sie verraten auch nicht, warum zwei Supermärkte in einer Entfernung von 1,2 Kilometern sinnvoll sein sollen. Wie ein Mantra betonen sie dagegen: „Fußläufigkeit“ sei das Ziel. Das Mobilitätskonzept, dass einer solchen Verengung der Planungsaufgaben zu Grunde liegt, ist schwer verständlich. Es übersieht zum Beispiel den MVV, der „grün denkende“ Kunden innerhalb von 2 Minuten von der Haltestelle an der Kirche zur Haltestelle Waldbrunn befördert. Mit dem Fahrrad benötige ich für die Strecke von 1,2 Kilometern bei gemütlichem Tempo von 18 Km/h gerade einmal 4 Minuten. Mit dem E-Bike und 24 Km/h etwa 3 Minuten. An der Fahrzeit kann es also nicht liegen, dass Alternativen zum Auto wenig genutzt werden.

Ich glaube, die Argumentation der dringend nötigen Fußläufigkeit führt in die Irre, da Wörthsee in der Fläche recht groß und sehr hügelig ist und daher unbedingt ein umweltfreundliches Mobilitätskonzept jenseits des Fußgängers braucht. Fahrrad, E-Bike und MVV sind die Schlüssel dafür. In der Realität allerdings werden die meisten Kunden auch hier wie gewohnt mit dem Auto anfahren. Das viele Geld, dass in eine unsinnige Supermarktplanung geflossen ist, wäre dennoch besser für Fahrradwege angelegt gewesen.

Einkaufen ginge auch mit dem Radl oder MVV2021-02-20T10:36:18+01:00
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